Article: Zehnte Göttinger Fachtagung "Emotion und Kognition im Fremdsprachenunterricht (Teil 1)




Published in: Fremdsprachen und Hochschule (FuH) 68 (2003), 61-78



Zehnte Göttinger Fachtagung „Emotion und Kognition im Fremdsprachenunterricht“ – ein Aufbruch zu neuen Ufern? - Tagungsbericht (1. Teil)



Thomas Tinnefeld (Göttingen)



Die Zehnte Göttinger Fachtagung, die vom 05.03. bis 07.03.2003 am Sprachlehrzentrum der Georg-August-Universität Göttingen abgehalten wurde, war – ebenso wie ihre neun Vorgängerinnen – ein großer Erfolg: ein Erfolg auf sozialer Ebene durch die intensive Begegnung der in Sprachvermittlungsprozessen tätigen bzw. in der Sprachlehrforschung aktiven Teilnehmerinnen und Teilnehmer; ein akademischer Erfolg angesichts der vierten Verleihung des Göttinger Preises zur Fremdsprachenerwerbsforschung und nicht zuletzt ein wissenschaftlicher Erfolg durch die Vielzahl hochinteressanter, zum Teil mitreißender Vorträge vor dem Plenum und in den Arbeitsgruppen. Über die beiden zuletzt genannten Gesichtspunkt soll an dieser Stelle berichtet werden. Dabei beschäftigen wir uns zuerst mit der genannten Preisverleihung, danach wird auf die Plenumsvorträge Bezug genommen und schließlich wird auf die in den einzelnen Arbeitsgruppen gehaltenen Vorträge in aller Kürze eingegangen. Es werden hier alle Vorträge, die auf der Tagung präsentiert worden sind, behandelt, um diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die aktiv zu deren Gelingen begetragen haben, zu ihrem Recht kommen zu lassen. Bereits an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, daß erneut – zumindest ein, eventuell zwei – Tagungsbände geplant sind – wie es der Tradition der bisherigen Göttinger Fachtagungen entspricht -, daß aber auch einige der Vorträge in einer der nächsten Nummern der vorliegenden Zeitschrift dokumentiert werden.
Der diesmalige Göttinger Preis zur Fremdsprachenerwerbsforschung ging an Barbara Schmenk für ihre Dissertation „Geschlechtsspezifisches Fremdsprachenlernen? Zur Konstruktion geschlechtstypischer Lerner- und Lernbilder in der Fremdsprachenforschung“, die im Jahre 2002 in Tübingen bei Stauffenburg erschienen ist (vgl. hier auch die Rezension von Klaus Vogel in FuH 67, 115ff). Die Laudatio wurde von Herbert Christ gehalten, der sie – entsprechend dem ausgezeichneten Ruf, den er sich in der Fachwelt erworben hat, in bester akademischer Tradition der Romania hielt, was mit einer erheblichen Prise Humor einher ging. Dabei verband Christ in anschaulicher und das Publikum fesselnder Manier die inhaltliche Analyse der im Zentrum stehenden Arbeit – nach der die gemeinhin verbreitete Annahme, Frauen seien (fremd)sprach(en)begabter als Männer, in dieser Form nicht haltbar ist - mit den Standpunkten der Wissenschaft und seinen eigenen Positionen. Am Ende seiner Ausführungen bestand kein Zweifel darüber, daß die Wahl dieses Werkes durch die Jury eine durchaus gerechtfertigte war.



Vorweggenommen sei bereits an dieser Stelle, daß der Tagung der Brückenschlag zwischen zwei zentralen Faktoren des Fremdspachenlernens – dem kognitiven und dem emotionalen -gelang, deren Zusammenhang oft nicht gesehen, der bisweilen gar negiert worden ist. Dazu trugen wesentlich die Plenarvorträge bei, auf die zunächst eingegangen werden soll.



Gerald Hüther („Die Bedeutung emotionaler Aktivierungsprozesse für die neurobiologische Verankerung neuer Erfahrungen“) wies darauf hin, daß selbst bei Erwachsenen die im Gehirn angelegten synaptischen Verschaltungen und neuronalen Netzwerke viel mehr, als dies bisher zugrundegelegt worden ist, geformt werden können. Entscheidend ist dabei die Freisetzung von Botenstoffen, die emotionale Zentren aktivieren. Eine solche Aktivierung tritt immer in solchen Situationen auf, in denen etwas Unerwartetes oder Aufregendes passiert, z. B. das Auftauchen eines neuen Problems. Aktivierungsprozesse der genannten Art sind somit am ehesten durch die Verstärkung oder die Bedrohung solcher Bindungen hervorzurufen, die Sicherheit bieten. Hüther zeigte auf, daß das Gehirn nicht zuim Auswendiglernen da ist, sondern vielmehr zum Problemlösen, und dies besonders dann, wenn die Bewältigung von Problemen in Kontexten und im Hinblick auf Personen vermittelt wird, die ihrerseits emotionale Aktivierungsprozesse in Gang setzen. Er betonte, daß Bequemlichkeit zur Hirnschrumpfung führt und daß das beste Gehirntraining die Konstanz der allgemein positiv bewerteten Flow-Erfahrungen des Menschen sei.



Norbert Fries („Sprache und Emotionen“) klärte in seinem Vortrag zunächst einige Begrifflichkeiten. So sind Gefühle für ihn seelische Empfindungen. Emotionen kennzeichnen sich dadurch, zeichenkodierte Gefühle zu sein. Somit sind Emotionen arbiträre semiotische Entitäten. Emiotionale Einstellungen referieren auf Empfindungsqualitäten und Grade der Empfindungsintensität, somit auf spezifische Komponenten von Gefühlen. Emotionale Szenen sind signifikant relevante komplexe Konzepte, wie sie beispielsweise für die Erklärung der Elemente des Wortschatzes einer Sprache zum Ausdruck von Gefühlen vorkommen. Die Semantik spezifischer Gefühle läßt sich durch sprachliche Ausdrücke und semantische Merkmale nicht vollkommen erklären. Wörter wie z,. B. Wut, Zorn, Ärger, Unmut referieren vielmehr auf unterschiedliche emotionale Szenen. Als Beispiel brachte er unter anderen dasjenige einer Scheidungssituation. In einer solchen Situation wird auf unterschiedliche emotionale Szenen referiert, je nachdem, ob der eigene Lebenspartner bei der Scheidung selbst Ärger, Wut, Rage oder Zorn äußerte. Die Relevanz dieser Zusammenhänge für den Fremdsprachenunterricht besteht für Fries darin, Wortschatz im Kontext emotionaler Einbettungen zu vermitteln und ihn somit einer leichteren Erlernbarkeit zuzuführen.



Claudia Finkbeiner („Affektive Faktoren beim Lehren und Lernen fremder Sprachen“) zeigte zunächst die aktuelle Forschungslage in diesem Bereich auf und stellte dann eine eigene Studie mit Schülern der Klassenstufen 9 und 10 zum fremdsprachlichen Lesen im Fach Englisch vor, wobei ihre zentrale Frage der Rolle von Interessen und Strategien galt. Sie stellte die Hypothese auf, daß es einen Zusammenhang geben muß zwischen den Interessen der Schüler, ihren (Lese-)Strategien und der Tiefe ihrer Textverarbeitung. Als problematisch stellte sich dabei heraus, daß Schulbuchtexte früher personenbezogen waren und heute gegenstandsbezogen konzipiert werden. Dieses Faktum ist mit Blick auf die Evozierung von Interesse seitens der Schüler kontraproduktiv. In Finkbeiners Studie war das Leseinteresse von Schülern signifikant zentriert auf das Literaturinteresse einerseits und auf die eigenen Selbständigkeit bei der Textarbeit andererseits. Dabei entwickelt sich personales Leseinteresse sehr früh und wird enorm durch die vorschulische familiäre Anreizsituation gefördert. Das Leseinteresse beginne sogar pränatal. Beeinflußt wird der Leseprozeß durch folgende Faktoren: das Vorwissen, die sprachlichen Kognitionsfähigkeiten, deieLesestrategien sowie attitudinale und affektive Faktoren (Interesse und Einstellung; Lesebereitschaft) wie auch das Lese“training“ (Lesebiographie und Lesegewohnheiten).



Dieter Wolff („Kognition im Fremdsprachenerwerb“) verwies auf die enge Verzahnung von Emotion und Kognition: Emotionen beeinflussen Kognitionen. Emotionen sind ein prä- und postkognitives Phänomen. Er unterstrich Piagets Ansatz, nach dem Kognition der Motor sei, die affektive Komponente dagegen der Treibstoff. In diesem Bereich ist somit eine Dynamik zugrundezulegen: Jeder kognitive Prozeß ist zugleich ein emotionaler. Wolff hob die Konstruktion als Grundprinzip fremdsprachlichen Handels, Lehrens und Lernens hervor. Sprachgebrauch sei somit ein komplexer Konstruktionsprozeß. Ebenso ist Sprachenlernen ein Konstruktionsprozeß. Dabei ist der Verstehensprozeß Grundlage jeglichen Lernprozesses: Drill allein bringt nichts; Interesse, Motiviertheit und emotionale Befindlichkeit sind Voraussetzungen für Lernen und Verstehen. Emotion und Kognition sind gemeinsam an diesem Prozeß beteiligt. Für die Praxis ist dabei die Schaffung einer geeigneten Lernumgebung zentral. Diese Lernumgebung muß eine konstruktivistische sein. Es müssen dies Lernstätten und Lernwelten sein, in denen entdeckendes Lernen und experimentelles Problemlösen möglich sind. Dabei herrscht Dynamik, nicht Statik. Diese Lernumgebung wird von Lehrern und Lernern gemeinsam geschaffen. Dazu muß ein wirkliches Problem gelöst werden; es muß etwas zum Entdecken geben, zum Beispiel Projektarbeit. Die Notwendigkeit der Problemlösung erzeugt positive oder negative emotionale Zustände. Dies ist ein für den Lernerfolg günstiges Kriterium. Hinzu tritt die Fördreung des Vermögens der Lerner zu konstruieren. Der Lehrer muß den Lernern Hilfestellung geben, ein solches Vermögen zu entwickeln, zum Beispiel für die vier sprachlichen Fertigkeiten.



Es folgen nun die Beschreibungen der in den einzelnen Arbeitsgruppen gehaltenen Vorträge. Dabei wird chronologisch von Arbeitsgruppe eins bis Arbeitsgruppe sechs vorgegangen. Die Darstellung der einzelnen Vorträge richtet sich nach ihrer Chronologie während der Tagung.



Die von Juliane House und Peter Scherfer geleitete Arbeitsgruppe 1 trug den Titel „Emotion und Kognition in Sprache und Kommunikation“.



Anna Herwig wandte sich („Die konzeptuelle Struktur negativer Emotionen und ihre Lexikalisierung im Deutschen und Englischen“) den Emotionen als abstrakten kognitiven Ereignissen ohne externes Bezugsobjekt zu. Emotionen stehen bei ihr für ein Verhältnis zwischen anderen kognitiven Ereignissen und weisen somit eine komplexe konzeptuelle Struktur auf. Ihre angemessene Beschreibung bezieht den Erlebenden und seine Bewertung einer gegebenen Situation ein. Dabei kann ein und dieselbe Befindlichkeit je nach Perspektive verschieden perzipiert werden. Dies kommt lexikalisch durch unterschiedliche Wortklassen zum Ausdruck. Emotionen werden in unterschiedlichen Kulturen verschieden konzeptualisiert, was seinen Ausdruck in speziellen Lexikalisierungsmustern findet. Anhand empirischer Daten aufgrund der Untersuchung zum Übersetzungsprozeß eines Textes vom Englischen ins Deutsche zeigte sie unter anderem auf, daß kaum ein semantsiches Feld in unterschiedlichen Sprachen so reichhaltig lexikalisiert ist wie dasjenige der Emotionen.



Anita Fetzer („Zurückweisungen: freundliche und unfreundliche Varianten“) verstand Emotionen als auf rationale und intentionale Weise kommunizierte Phänomene. Sie versuchte, den Widerspruch herauszuarbeiten, der darin besteht, Sprechhandlungen der Zurückweisung mit der emotiven Seite der Freundlichkeit zu kombinieren. So wird in anglo-amerikanischen Alltagssituationen eine freundliche Einstellung zu einer gegebenen Position tendenziell explizit kommuniziert, eine freundliche Einstellung zum Kommunikationspartner dagegen eher implizit (vgl. That´s a good point gegenüber That is very kind of you). Sie zeigte, wie Sprecher und Sprecherinnen den genannten Widerspruch zwischen dem Nicht-Akzeptieren einer Entscheidung in Verbindung mit einer freundlichen interpersonalen Einstellung bewältigen, und setzte dieses komplexe Situationsgefüge zu sprachlichen Mitteln in Beziehung. Ihre conclusio bestand darin, für einen ganzheitlich orientierten Fremdsprachenunterricht zu plädieren, der an der Konstruktion und an dem Austausch von Bedeutungen orientiert ist, und nicht am propositionalen Schlagabtausch.



Renate Koziel untersuchte die „Konzeptualisierung von Ärger, Wut und Zorn in der deutschen Sprache“ unter Bezugnahme auf Kollokationen mit verbalen und adjektivischen Kollokatoren. Von Interesse war für sie dabei die Beziehung, die zwischen sprachlichen Ausdrücken und entsprechenden kognitiven Vorstellungen existiert. Die Analyse der Kollokatoren von Gefühlen wie Ärger, Wut und Zorn läßt darauf schließen, daß das Gefühl als ein Prozeß mit einer Anfangs-, einer Entwicklungs- und einer Endphase konzeptualisiert wird: Emotionen entstehen, intensivieren sich, können beherrschend wirken, sich gegen eine Person oder eine Sache richten, nachlassen, verschwinden oder sich in Handlung verwandeln.



Klaus-Dieter Baumann verband in seinem Vortrag „Emotionen in der Fachkommunikation: ein kommunikativ-kognitiver Ansatz“ das Phänomen Emotionalität mit dem Gesichtspunkt der Verständlichkeit von Fachtexten: Emotionalität beeinflußt deren Informationsverarbeitung und somit die Beziehung zwischen Fachtextautor und Fachtextadressat – und dies in jeweils unterschiedlicher Weise auf den verschiedenen Ebenen der Fachkommunikation. Diese Wechselbeziehung zwischen der Emotionalität des Fachtextes einerseits und dessen Verständlichkeit andererseits zeigte er anhand empirischer Fachtextanalysen des Deutschen und Englischen auf.



Wie Ian Iluk in seinem Vortrag mit dem Titels „´So ein süßer Wurm´. - Affektonyme im Deutschen und Polnischen“ feststellte, ist der Ausdruck positiver Gefühle nicht nur wichtig für die Pflege guter Beziehungen zwischen Menschen in den unterschiedlichsten Kommunikationskontexten, sondern deren Bekundung ist kein einmaliger kommunikativer Akt: Positive Gefühle werden gegenüber dem Interaktionspartner / den Interaktionspartnern immer wieder geäußert und jeweils erneut zugesichert. Auf diesem Hintergrund zeigte Iluk die verbale Manifestation von Sympathie, Zuwendung, Zuneigung, Liebe und Verehrung in der deutschen und polnischen Sprachkultur auf und erarbeitete die kulturellen Normen und Ausdrucksmuster, die in diesem Zusammenhang gelten.



Anna Chernogubova, die eine „Untersuchung der assoziativ-emotionalen Lexik als Mittel zur Konzeptualisierung des emotionalen Weltbildes in der deutschen Poesie als Forschungskonzept der kognitiven Linguistik“ vornahm, ging von der Auffassung aus, daß eine enge Verbindung existert zwischen den assoziativ-emotionalen Strukturen von Wörtern und der Repräsentation von Weltwissen. Nach ihrer Hypothese können mit Wortkonzepten, die mentale Struktureinheiten darstellen, die referenzunabhängigen Teile des Weltwissens assoziiert werden. Als Korpus diente ihr Dichtung, da hierin eine Welt en miniature verborgen liege. Der Schlüssel zu dieser Welt liege häufig in einem Bild, einer Assoziation, einem Erlebnis. Dies wiederum ziehe eine gesamte Bilder- und Gedankenwelt nach sich. Auf diese Weise kann mit Hilfe einer Analyse der assoziativ-emotionalen Lexik die Weltanschauung einzelner Autoren erfaßt werden, was nicht nur für den Deutschunterricht interessant sein, sondern auch Einsichten über die Besonderheiten der deutschen Sprache vermitteln könne.



Gegenstand von Michael Wittwers empirisch-induktiver Untersuchung „Emotion in der fachexternen pädiatrischen Kommunkation“ war die Beschreibung einer Untersuchung der mündlichen Arzt-Patient-Kommunikation in der Kinderheilkunde unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Emotionen in der Kommunikationssituation Krankheit und dem Betreben der Vermeidung von Kommunikationskonflikten, wobei er sowohl Semiotik als auch Körpersprache einbezog und verschiedene Ansätze – den psychologischen, den kognitions- und kommunikationswissenschaftlichen sowie den fachsprachlichen – verknüpfte. Ziel seiner Untersuchung ist eine Sensibilisierung von Ärzten und medizinischem Personal für die Rolle von Emotionen in der Kommunikation mit kranken Kindern.



John Smeds untersuchte in seinem Vortrag „Interpretability and Relevance in Foreign Language Education“ eine theoretischen Rahmen für die Benutzung narrativer Texte in kommunikativen Übungen. Er ging dabei aus von Dan Sperbers und Eirde Wilsons Relevance Theory (1986), die besagt, daß eine Situation, in der ein Lerner in einem Kontext eine Fremdsprache benutzt, in dem die anderen Sprecher diese Sprache als ihre Muttersprache verwenden, ein spezieller Fall für die relevance theory sei. Smeds argumentierte in der Weise, daß Enqvists (1991) Beobachtungen hinsichtlich des Konzeptes der interpretability dasjenige der relevance vertiefe, und daß eine Kombination von intepretablility und relevance zu einem Modell führen wird, das zu einem besseren Verständnis der Kommunikationssituation im Fremdsprachenunterricht beiträgt. Nach Smeds Ansicht wird aus diesem Modell folgen, daß die relevance im Fremdsprachenlernprozeß durch die Benutzung narrativer Texttypen in Bruners Sinn erhöht werden kann.



Gottfried Keller („Neurobiologische Grundlagen des interkulturellen Lernens“) ging in seinem Vortrag davon aus, daß die Ergebnisse des radikalen Konstruktivismus zu allgemein gehalten sind, soll interkulturelles Lernen begründet und geplant werden. Daher legte er sieben relevante Gehirntätigkeiten zugrunde, die – in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander – den Lernprozeß bestimmen. Diese Gehirntätigkeiten bedingen und erzeugen Emotionen (Amygdala), Kognitionen (Thalamus), Stereotypisierungen (starre Synapsen) Differenzierungen (plastische Synapsen), Wertvorstellungen (Meterepräsentationen) Kausalbeziehungen (assemblies) und gruppendynamische Prozessse (Hypothalamus). Aus ihrem Wechselspiel kann interkulturelles Lernen besser verstanden werden, und es können methodisch-didaktische Folgerungen für das interkulturelle Lernen abgeleitet werden.



Tatjana Parmenova („Hypothetische Modalität als kognitive Kategorie“) stellte die Bedeutung der Modalität in dem Sinne heraus, als sich in ihr die Vorstellung des Sprechers in der realen Welt und seine Interpretation dieser unmittelbar widerspiegelt. In der Rede geht der Mensch über die Grenzen des wahrgenommenen und von ihm gedanklich berarbeiteten Weltbides hinaus, interpretiert reales Geschehen und prognostiziert zukünftiges Geschehen. Die Hypothetizität reflektiert somit kognitive Resultate und dient der Bildung möglicher Welten. Als Korrelation zwischen hypothetischer und realer Situation grenzte Parmenova drei Hauptvarianten aus: positive oder negative Bewertungen des Sprechers hinsichtlich einer vergangenen oder gegenwärtigen Sachlage; den Wunsch, eine in der Realität existierende Situation zu erhalten; eine vorgestellte Veränderung, eine Umbildung einer realen Situation als Reaktion auf ihre Nicht-Übereinstimmung. Pragmatisch gesehen, können hypothetische Äußerungen bei direkten und indirekten Spechakten mitwirken, z. B. einer Frage als Anregung (Könnten Sie mir nicht helfen?), eine Verneinung als Behauptung (Allein hätte ich gar nichts geschafft) oder auch Irrealität als Konstatierung von Realität (Wenn ich deine Hilfe nicht gehabt hätte, wäre das Buch nicht herausgekommen). Es entsteht so ein Übergangsbereich, in dem formal hypothetische Äußerungen zur Darstellung impretativer oder realer Situationen dienen.



Die Arbeitsgruppe 2 stand unter dem Themenbereich „Emotion und Kognition beim Fremdsprachenlernen“ und wurde von Manfred Raupach und Dieter Wolf geleitet.



In deren erstem Vortrag beschäftigten sich Martha Gibson und Britta Hufeisen mit dem Thema „Emotionale und kognitive Faktoren beim Fremdsprachenlernen Mehrsprachiger“. Dabei stellten sie zunächst ein Faktorenmodell zum multiplen Sprachenlernen vor, wobei insbesondere emotionale und kognitive Aspekte diskutiert wurden. Darüber hinaus analysierten sie empirische Daten der Korrelation zwischen der Ausgeprägtheit einzelner ausgegrenzter emotionaler und kognitiver Faktoren, wie z. B. awareness, control, anxiety oder Motivation zum einen und tatsächlicher Performanz zum anderen.



Katja Lochtmann und Madeline Lutjeharms („Attitüden zu Fremdsprachen und zum Fremdsprachenlernen“) untersuchten das Image des Deutschen angesichts seiner in Belgien immer problematischer werdenden Position als gelernte bzw. zu lernende Fremdsprache. Dabei befragten sie vorwiegend Studierende der Betriebswirtschaft im neunten Semester und Studierende in den ersten drei Semestern der Sprach- und Literaturwissenschaften. Sie versuchten, Attitüden zu ermitteln, indem die Befragten um Aussagen über das Fremdspachenlernen allgemein gebeten wurden, hinsichtlich des Images des Fremdssprachen Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch und - durch offene Assoziationsfragen zu den vier Sprachen -, indem sie jeweils maximal drei Substantive, Adjektive und Namen bekannter Persönlichkeiten nennen durften. Dabei stellte es sich als nicht unproblematisch heraus, signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Studienrichtungen, den Sprachen und der Sprachlernerfahrung festzustellen, wie auch die Frage zu beantworten, wie das Image einer Fremdsprache die Attitüde zu dieser Sprache und zum Fremdsprachenlernen allgemein beeinflußt.



Astrid Dahnken stellte in ihrem Vortrag „Sprachbewußtheit und Sprachlernbewußtheit von Hauptschülerinnen und Hauptschülern der 10. Klasse. Die Fremdsprache Englisch aus Sicht der Schülerinnen und Schüler“ ihr Dissertationsprojekt vor, dessen Zielgruppe Schüler und Schülerinnen sind, die sich am Ende ihrer schulischen Sozialisation befinden, deren persönliche Lerngeschichte jedoch nicht von Leistungserfolgen dominiert wird. Ziel ihrer Untersuchung ist es, aufgrund ihrer Daten zu einer gleichermaßen fach- und lernerorientierten didaktischen Strukturierung des Unterrichts zu gelangen, die eine Verbindung ermöglicht zwischen den Vorstellungen der Schüler und den an sie gestellten Forderungen. Man darf gespannt sein, welche Schlußfolgerungen aus den später veröffentlichten Ergebnissen des Projekts zu ziehen sein werden.



Uwe Multhaup („Motivation und Lernentwicklung“) ging aus von der konsequentesten Art handlungsorientierten Lernens: dem Ansatz, der mit dem Begriff Lernerautonomie belegt wird. Dabei übernehmen Schüler die Mitverantwortung für ihre Lernprozesse; der Lehrer übernimmt die Rolle des Helfers, nicht diejenige des belehrenden Instrukteurs. Gefördert werden sollen solche Lernstrategien, die das Lernverhalten des Schüler positiv beeinflussen. Ziel ist die Förderung einer Entwicklung, die die Lernenden zu einer positiven Einstellung gegenüber den Herausforderungen von Sprachlehrprozessen führt. Eine solche Einflußnahme auf das Lernerverhalten nennt Multhaup Lernerentwicklung. Als Gefahr stellte er heraus, daß Lernerautonomie fehlinterpretiert werden kann als eine unstillbare Lernbegierde: Sie entfaltet sich keineswegs immer zwangsläufig, wenn den Schülern Freiheit gegeben wird, statt ihnen Zwänge aufzuerlegen. Lernmotivation ist keine Konstante, sondern vielmehr eine veränderliche Größe. Multhaup setzte Lernentwicklung einerseits und die psychologischen Erkenntnisse über Sprachentwicklungsstufen andererseits theoretisch in Beziehung zueinander. Dabei ergab sich unter anderem aus neurowissenschaftlicher Sicht das Phänomen, daß kein Prozeß ohne eine ihn auslösende Motivation stattfindet. Handlungs- und Lernmotivation ist niemals frei von emotionalen Komponenten, aber Motivation reicht dann allein zum Handeln nicht aus, wenn ihr kognitiv keine Realisierungen entsprechen. Sprachlehrprozesse sind somit immer form- und funktionsorientiert, also bedeutungs- bzw. kommunikationsorientiert.



Anna Gnoinska („The Role to Confidence in Foreign Language Acquisition“) untersuchte die Beziehung zwischen dem Selbstvertrauen von Lernenden und Testangst und Testergebnissen beim Leseverstehen, stellte ihre Schlußfolgerungen hinsichtlich der Rolle des Selbstvertrauens beim erfolgreichen Fremdsprachenlernen vor und zeigte Möglichkeiten auf, um die Selbsteinschätzung von Lernern und ihr Selbstbewußtsein zu verbessern: Selbstbewußte Lerner fühlen sich kompetenter, sie sind risikofreudiger und auch mutiger, wenn es darum geht, Fehler in Kauf zu nehmen. Sie beteiligen sich mehr am Unterricht und erzielen bessere Resultate als solche Lerner, die mit geringem oder gar keinem Selbstvertrauen ausgestattet sind.



Swantje Ehlers untersuchte den „Einfluß von Haltungen, Einstellungen, Selbstachtung auf den L2-Literalitätserwerb von Minderheitenkindern“ und versuchte, das Lesen in sozialisatorischer Perspektive mit der sozialen Situiertheit von Leseerwerbsprozessen bei Minderheitenkindern in Beziehung zu setzen. Dabei hob sie besonders auf solche Lernervariablen ab wie Motivation, Selbstachtung und kulturelle Orientierung und stellte heraus, daß diese eine affektive Grundlage bilden, die für den Leseerwerb in der Zweitsprache fördernd oder behindern sein können.



Ausgehend von der großen Bedeutung einer produktiv wie rezeptiv adäquaten Aussprache für den Erfolg mündlicher Kommunikation zeigte Isabelle Mordellet-Roggenbuck (“Emotion und Kognition beim Aussprachelernen“), wie die Herausbildung der prosodischen und lautlichen Hörmuster in der Erstsprache unmittelbar anknüpfen an die ersten emotionalen und sozialen Erfahrungen des Babys. Darüber hinaus zeigte sie auf, daß die emotionale Reaktion eines Hörers einem fremden Akzent gegenüber nicht selten ein kulturelles und ästhetisches Bild reflektiert, das eine Mehrheit von Sprechern einer Nationalsprache von einer anderen Sprache hat. Diese Überlegungen mündeten in die Vorstellung didaktsich-methodischer Vorschläge, dies es gestatten, der Problematik des Aussprachelernens mehr Rechnung zu tragen als bisher.



Federica Missaglia („Phonetische Aspekte emotionaler Sprechweise und ihre Implikationen für den Daf-Unterricht“) verwies zunächst auf das Forschungsdesiderat der empirischen Untermauerung der Forderung nach verstärkter Beachtung emotionaler Aspekte im Rahmen der Ausspracheschulung. Dabei bezog sie sich auf das Sprachenpaar Deutsch-Italienisch. Aufgrund praktischer Unterrichtserfahrung konnte sie feststellen, daß die Schaffung bewußter Aufmerksamkeit für prosodische Regelmäßigkeiten und für emotional-affektive Aspekte von Kommunikationssituationen in der Fremdsprache zu deutlich besseren Ergebnissen führt als das sterile Memorieren von Lautbildern und Automatismen von Artikulationsmustern. Sie forderte daher eine Umkehrung der Prioritäten im Rahmen der Ausspracheschulung für Fremdsprachenlerner: von der Prosodie hin zu den Segmenten. Auf dieser Grundlage stellte sie die Hypothese auf, daß die Kenntnis der phonologischen Eigenschaften des Deutschen und Italienischen sowie des Verhaltens italienischer Deutschlerner einerseits und die zu Elaborationen und Reduktionen bei emotionaler Sprechweise vorliegenden Ergebnisse andererseits in sinnvoller Weise im Rahmen der fremdsprachigen Ausspracheschulung kombiniert werden können, was Ialienern zu einer besseren Aussprache des Deutschen verhelfen kann.




Krysztof Nerlicki äußerte sich „Zu einigen individuellen Faktoren und deren (möglichen) Auswirkungen auf das Weiterlernen einer Fremdsprache“ und berücksichtigte dabei insbesondere die an polnischen Hochschulen übliche, besondere Form des Fremdsprachenlernens, die sich dadurch auszeichnet, daß dem Sachfachunterricht mehr Zeit gewidmet wird als traditionellen sprachpraktischen Übungen. Zudem bringen die Studierenden unterschiedliche Sprachlern- und Sprachgebrauchserfahrungen mit, die sich unter anderem auf die kognitiven Lernstile auswirken. Hinsichtlich des Weiterlernens des Deutschen im Philologiestudium strich er im wesentlichen zwei Probleme heraus: die charakteristischen kognitiven und emotianalen Merkmale der Probanden seiner Fragebogenaktion im Kontext des universitären Grammatikunterrichts, bei denen Anzeichen von Fossilisierungen zu bemerken sind, und die unterrichtlichen Implikationen, die damit verbunden sind, daß Probanden sich in den zugrundeliegenden Fragebögen selbst als unsicher, schüchtern und verlegen bezeichnen.



Dieter Krohn beschäftigte sich mit dem Thema „Angst und Leistung im englischen Anfangsunterricht“ und führte quantitative empirische Untersuchungen sowie Schülerinterviews im Englischunterricht der 5./6. Jahrgangsstufe durch. Dabei arbeitete er die enorme Bedeutung der Angst für die (negative) Leistung im Englischunterricht heraus und untersuchte unterschiedliche Auswirkungen der Angst auf verschiedene Leistungsbereiche sowie angstmachende Faktoren im Englischuntericht – mit dem Ziel der Erarbeitung von Konsequenzen für die fremdsprachendidaktische Forschung, die Lehreraus- und weiterbildung sowie den englischen Anfangsunterricht, und dem Bestreben, den Schülern ein mehr oder minder angstfreies Lernen zu ermöglichen und sie durch die Schaffung einer positiven Lernatmosphäre zu besseren Leistungen zu führen.



Elisa Cavallini („Miniszenen im Anfängerunterricht. Wie NullanfängerInnen aus der Reserve gelockt werden können“) stellte ein eigenes Projekt vor, in dem sie Schülern und Schülerinnen (27 elfjährige Nullanfänger aus einer italienischen scuola media (Realschule, 6. Schuljahr)) einen positiven emotionalen Umgang mit der in Italien für schwierig gehaltenen deutschen Sprache ermöglichen wollte. Nach ihrer These locke die Förderung der Eigenaktivität von Schülern diese aus der Reserve und rege sie zu sprachlichem Handeln an. Unter mehreren didaktischen Maßnahmen stellte sie die Inszenierung von Miniszenen heraus, in denen spielerisch neue Wörter und Ausdrücke gelernt werden. Die Schüler und Schülerinnen verarbeiten ihr Weltwissen spielerisch, um neue Situationen im Unterricht zu verstehen. Der Zweck dieser Unterrichtsform bestand darin, eine tendenziell authentische Kommunikation zu erzielen und Grammatik und Sprachregeln in den Hintergrund treten zu lassen. Als Ergebnisse stellten sich heraus, daß die Lernenden Spaß haben und positiv überrascht sind über ihr Verständnis und ihre deduktiven Fähigkeiten; sie sind nicht nur emotional aktiv, sondern auch kognitiv beteiligt. Es zeigte sich, daß die in solchen Miniszenen behandelten Ausdrücke von den Schülern erfolgreich memoriert und aktiv wiederverwendet werden konnten.



Armin Volkmar Wernsing sprach „Über die Zuversicht und andere Emotionen beim Fremdsprachenlernen“ und machte in seinen Ausführungen die emotionale Komplexität deutlich, der der Fremdsprachenunterricht unterworfen ist, und die bei weitem nicht nur aus positiven Empfindungen besteht. Anhand eines Beispiels, das im folgenden lediglich verkürzt dargestellt werden könnte – aus diesem Grunde verzichten wir hier auf eine Beschreibung und verweisen auf die zu Beginn dieses Tagungsberichtes erwähnten, in naher Zukunft anstehenden Publikationen -, machte er deutlich, in welcher Weise ein Unterricht dann zu der Bewältigung von Schwierigkeiten beiträgt, und dabei Zuversicht wecken kann, wenn er handlungsorientiert ausgerichtet ist.



Die Arbeitsgruppe 3 wurde von Michael Wendt und Eberhard Kleinschmidt geleitet und trug den Titel „Emotion in Kognition in der Fremdsprachenlehre“.



Elena Nolte-Borovkova und Anastassiya Semyonova („Emotion und Kognition: Fremdsprachenlehre im Osten und Westen“) stellten die westeuropäische Didaktik der vergangenen Jahre und Jahrzenhte mit ihrer kommunikativ-pragmatischen Ausrichtung der sowjetischen Didaktik mit ihrer kognitiv-kommunikativen Orientierung gegenüber. Sie wiesen darauf hin, daß – während im Westen größerer Wert auf die Emotionen und die Motivierung der Fremdsprachenlerner gelegt wurde, im Osten die Kognitivierung und das Vermitteln der Sprache als System bedeutsamer war. Entsprechend unterschieden sich Curricula, Unterrichtsphasen, Arbeitsformen, Lehrerrolle und Lehrwerk. Sie machten deutlich, daß angesichts des zunehmenden Exports und Imports von Unterrichtskonzepten und Lerngewohnheiten die jeweilige Lehr- und Lernkultur von dem Lehrenden mitberücksichtigt werden soll, die ausländische Studierende aus ihren Heimatländern mitbringen. Von Bedeutung dabei ist jedoch, daß der politische Umbruch in Osteuropa einerseits und die Diskussion über die ´kognitive Wende´ im Westen andererseits eine Annäherung beider Tendenzen mit sich gebracht hat. Ihre Reflexionen wandten sie auf Ergebnisse eigener Befragungen von DaF-Lernern an und zeigten, wie sich die beiden besprochenen Tendenzen in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache niederschlagen.



Adelheid Schumann („Zur Förderung der Motivation im Französischuntericht“) zeigte die grundsätzliche Problematikdes Französischunterrichts auf, der sich aktuell zwischen dem Englischen einerseits und dem Spansichen andererseits behaupten will – behaupten muß. Zu diesem Zweck bedarf er dringend eines neuen Motivationsschubes. In diesem Zusammenhang stellte sie die Schlüsslerolle des Lehrers heraus: Seine Begeisterung für das Fach, die Schaffung eines guten Lernklimas durch ihn, seine Themen- und Textauswahl und die Phantasie, die er im Hinblick auf die von ihm verwendeten Unterrichtsmethoden an den Tag legt, definierte sie als entscheidende Voraussetzungen für die Entwicklng von Motivation bei Schülern, das Französische zu erlernen.



Margit Reitbauer und Renate Vaupetitsch („Die E-Rolle und die K-Rolle. Lehrerrollen zwischen Emotion und Kognition") wollten – angesichts der unterschiedlichen Rollen, die dem Lehrer in der bisheringen Geschichte der Fremdsprachendidaktik zugedacht worden sind - herausfinden, in wieweit der aktuell angenommene Paradigmenwechsel, der dem Lehrer eine eher passive Rolle zuweist, stattgefunden hat, und ob und wie er von Schülern wahrgenommen wird. Daher baten sie ihre Erstsemesterstudierenden, ihren besten bzw. ihren schlechtesten Lehrer zu beschreiben und erstellten eine Frequenzanalyse von Stichwörtern, die Schlüsse auf die von den Stuirenden wahrgenommenen Lehrerrollen zulassen könnten. In einer Co-Textanalyse setzten sie diese Schlüsselbegriffe mit Assoziationen in Beziehung. Als Ergebnisse ließen sich formulieren, daß Lehrern und Lehrerinnen nach wie vor die zentrale Rolle zukommt.Sie lösen weiterhin starke emotionale Reaktionen aus - positive wie negative. Lehrerintervention wird in der Regel positiv warhgenommen, ihr Fehlen dagegen häufig als negativ und verunsichernd. Ihrer Meinung nach könnte autonomes Lernen dann gefördert werden, wenn es gelänge, bei den Lernenden Selbstreflexionsprozesse hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Lehrerrolle einerseits und ihrem eigenen Lernertyp andererseits auszulösen.



Engelbert Thaler sprach über „Studentenaktivierende Lehrtechniken und Lernarrangements“ – in Unterrichtskontexten, die immer noch weitgehend instruktivistisch geprägt sind. Konstruktivistisch inspirierte universitäre Veranstaltungen stellen auch heute noch eher die Ausnahme dar. Er stellte unterschiedliche studentenaktivierende Lehrtechniken und Lernarrangements vor, wie z. B. buzz group, fish bowl, die Blitzumfrage und das adressatengenerierte Referat – und untersuchte sie auf ihr kommunikativ-handlungsorientiertes Potential – ein Ansatz, der für die Didaktik der näheren Zukunft vielversprechend anmutet.



Nicole Marx („´That´s easy, it´s like in English´. Bilanz einer (Sprachlern-)Sensibilisierung im Deutsch-nach-Englisch-Tertiärsprachenunterricht“) problematisierte die Situation, die an vielen deutschen Hochschulen innerhalb der internationalen Studiengänge gegeben ist, in denen ausländische Studierende nach Deutschland kommen, hier ihr Studienprogramnm auf Englisch absolvieren, jedoch bei ihrer Ankunft über nicht hinreichende Deutschkenntnisse verfügen. Diese Lernenden verschiedener Muttersprachen müssen gleichzeitig gemeinsam auf Englisch studieren und dabei Deutsch lernen, um Seminare in dieser Sprache besuchen zu können. Die Referentin stellte einen der existierenden Ansätze vor, in denen versucht wird, die geschilderte Situation zu meistern: den an der TU Darmstadt eingesetzten Sensibilisierungsunterricht – ebenfalls ein Ansatz, der durchaus vielversprechend anmutete.



Margarete Ott („Erzählte Geschichte/n. Geschichtliche Erfahrungen im Medium der (Fremd)sprache“) verstand Fremdsprachenuntericht als Aneignungsprozeß im Rahmen des kommunikativen Ansatzes. Im Unterricht müssen für die Lernenden Situationen geschaffen werden, in denen sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen können. Eine dauerhafte Motivierung der Lernenden war für die Referentin nur dann gegeben, wenn dem Lernen ein persönlicher Sinn zugeschrieben werden kann – und dies nicht nur kognitiv, sondern auch emotional. Sie forderte, daß bei der Ausbildung von Fremdsprachenlehrern zu berücksichtigen ist, welche Rolle den Studierenden zugestanden wird, wobei sie idealerweise von einer Übereinstimmung zwischen hochschuldidaktischen und (auf die Schule ausgerichteten) fachdidaktischen Zielsetzungen ausging. Für die Referentin lassen sich alle universitären Lehrformen in der beschriebenen Art darbringen, besonders jedoch fachdidaktische und sprachpraktische Veranstaltungen. Dies zeigte sie anhand eines konkreten Beispiels eines sprachpraktischen Seminars in Bezug auf die Germanistik in Ungarn.



Antonie Hornung und Antonella Nardi sprachen über „Die Vernetzung von Emotion und Kognition in der DaF-Lehrer/innenausbildung an der Scuola di Specializzazione per l´Insegnamento Secondario (SSIS) an der Universität Modena e Reggio Emilia“. Sie verfolgten dabei den vermeintlich neuen methodisch-didaktischen Ansatz des Immersion bzw. des Sprachbades, bei dem unterschiedliche Ziele vernetzt werden. So entstehen zwischen den Studierenden in ständigem Spürach- und Schriftwechsel mit den Lehrenden Tandemsituationen, in denen die Studierenden dazu ermuntert werden, den eigenen Spracherwerbsprozeß voranzutreiben und sich selbst als Lernende und Lehrende kennenzulernen bzw. in dieser Form zu agieren. Auf diese Weise werden authentische didaktische Situationen generiert. Die so geschaffenen Bedingungen authentischer Kommunikation führen bei den Studierenden zu Reflexionen über ihre eigenen emotionalen und intellektuellen Reaktionen, wobei über das eigene situative Lernen hinaus eine doppelte Form der Bewußtheit entsteht: language awareness und didactic awareness.



Lara Hannes untersuchte die „Schulung der emotionalen Gesprächsintentionen in Eurolingua – einem Lehrwerk der Erwachsenenbildung“ und legte als Ziel ihrer Untersuchung von Eurolingua Français fest herauszuarbeiten, in welchem Maße die Lernenden dazu in die Lage versetzt werden, ihre eigenen Gefühle auszudrücken und sich nach den Gefühlen anderer zu erkundigen. Dazu untersuchte sie Texte, Übungen und Lernzielbeschreibungen aus dem Lehrwerk und bezog die dport auftretenden Gesprächsintentionen in das von Kleinschmidt aufgestellte Kommunikative Minimum (1988) mit Blick auf das auf Volkshochschullerner ausgerichtete Certificat de Français. Grundfrage war, welche emotionalen Absichten in Eurolingua eingeübt und welche nicht geschult werden. Dabei stellte sich heraus, daß das Lehrwerk einige dieser Gesichtspunkte hervorragend herausarbeitet, andere dagegen in bedauernswerter Weise nahezu unberücksichtigt läßt.



Christiane Neveling („Wörter lernen mit Wörternetzen. Ein Strategientraining im Französischuntericht“) beschrieb eine eigene Untersuchung, deren Gegenstand der Aufbau mentaler Lexikonstrukturen bei Französisichlernenden ist. Sie verfolgte dabei eine lernpsychologisch-didaktische und eine psycholinguistische Zielsetzung. In lernpsychologisch-didaktischer Hinsicht konfrontierte sie Französisch-Schüler einer 11. Klasse in einem integrierten vierphasigen Strategientraining mit der Wörternetz-Strategie. Diese umfaßt bestimmt Teilstrategien wie Ordnungs-, Elaborations-, Wiederholungsstrategien und – darüber hinaus – Aufzeichnungstechniken, deren Kennzeichen eine multiple und multimodale Vernetztheit ist. Im Vergleich zu der immer noch sehr verbreiteten Strategie, neue Vokabeln mit Hilfe der „Zuhalte-Methode“ zu lernen, fand sie heraus, daß die Wörternetz-Strategie der erstgenannten „Methode“ weit überlegen ist. Psycholinguistisch umfaßt ihre Arbeit eine weitere Pilotstudie, in der der Nachweis darüber erbracht werden soll, daß Wörternetze als Operationsalisierungselemente dazu geeignet sind, die mentalen Strukturen des lernenrsprachlichen Lexikons abzubilden. Im Vergleich zu bestehenden, erprobten Forschungmethoden (für die Erfassung sowohl von Lernstrategien (retrospektive und introspektive Methoden) als auch von mentalen Lexikstrukturen (z.B. Assoziationstest und Bildmethode) ergab sich, daß die Wörternetz-Methode sich als äußerst gegenstandsadäquat erweist. Der Validitätsnachweis dieser Methode ergab, daß das Wörternetz auf kognitiver Ebene eine lexikalische Strategie repräsentiert, die es Lernern erlaubt, sich erfolgreich und dauerhaft neue Wörter anzueignen. Emotional gesehen, ist sie zudem mit erhöhter Lernfreude auf Seiten der Schülerinnen und Schüler verbunden – eine affektive Komponente, die für das schulische Wörrtelernen von großer Bedeutung ist.



Udo Hennig (“Zur Curricularisierung des verb im schulischen Englischunterricht“) ging von dem Phänomen aus, daß Grammatikunterricht bei Lernenden emotional am stärksten negativ besetzt ist. Im Anschluß an die Hinterfragung dieser Problematik schlug er eine Curricularisierung des Bereichs ´Verb´ vor, die holistisch ist und dabei den Anspruch erhebt, sinnstiftende mentale Aktivitäten der Lernenden initiieren und fördern zu können. Dies stellte für ihn eine Grundvoraussetzung für eine lernfördernde emotionale Befindlichkeit der Lernenden dar, die seiner Meinung nach auf andere moderne Fremdsprachen übrtragbar ist.



Ausgehend von der kommunikativen Wende, in der die pragmatische Dimension von Sprache betont wurde, ging Axel Polleti („Grammatik und Gefühle? Zur Neubewertung der affektiven Dimension im Fremdsprachenunterricht“) davon aus, daß Sprachverwendung auch in situativer Einbettung keineswegs automatisch vom Lerner als interessant empfunden wird. Bevor dies passiert, muß jede, in das Gehirn eingehende Information einen affektiven Filter passieren, bevor sie weiterverarbeitet wird. Grammatikuntericht muß somit all jene Parameter berücksichtigen, die diesen affektiven Filter ansprechen, also beispielsweise folgende Bereiche: die Beziehungsdimension von Sprache, die Ebene der Selbstoffenbarung hinsichtlich der Stimmungen, Gefühle, Befindlichkeiten und Einstellungen, die den Sprecher im Moment des Sprechens bewegen sowie prosodische Parameter wie Klang, Rhythmus und Intonation. Nur die Einbeziehung dieser Elemente bewirkt nach Meinung des Referenten, daß Grammatikunterricht „verlebendigt“ werden kann.



Andreas Marschollek sprach über die „Kognitive und affektive Flexibilität durch fremde Sprachen in der Primarstufe“) und faßte unter diesem Begriff solche Verhaltensmerkmale zusammen, die eine Begegnung mit dem Neuen und Fremden erleichtern – angesichts einer Epoche wie der Gegenwärtigen, in der Fremdsprachenunterricht auch in der Grundschule immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Er untersuchte den gegenseitigen Einfluß, der zwischen kognitiver und affektiver Flexibilität sowie der Identität, den Einstellungen und Sprache in ihrer Entwicklung besteht. In diesem Kontext erlangt das Bewußtsein eine besondere Bedeutung. Marschollek unterstrich den Beitrag, den der Unterricht in fremden Sprachen in der Primarstufe zur Förderung der kognitiven und affektiven Flexibilität leisten kann, und folgte der Hypothese, daß ein solcher Beitrag möglich ist – unter der Bedingung, daß der Unterricht die Schüler immer wieder gezielt an eine bewußte Auseinandersetzung mit Sprache, Identitöt und Einstellungen heranführt.



Sabine Ehrhart berichtete über „Unterschiedliche Lehrstrategien und ihr(en) Niederschlag in der Lernerproduktion“ im Rahmen des an der Universität des Saarlandes seit dem Schuljahresbeginn 2000/2001 durchgeführten Forschungsprojekts „Frühfranzösisch“, das die wissenschaftliche Begleitung des Modellversuchs „Frühfranzösisch in saarländischen Grundschulen ab der ersten Klasse“ darstellt. Auf der Basis von mehr als 150 Stunden an Audio- und Videoaufzeichungen von Unterrichtsstunden, über die das Projektkorpus verfügt, konnte bislang herausgefunden werden, daß die didaktische Ausgangsposition des Lehrers bestimmt, auf welche Strategien der Wissensvermittlung und der Motivationssteigerung er im konkreten Untericht zurückgreift. Von Bedeutung sind hier in didaktischer Hinsicht der Ausbildungsweg und die praktischen Erfahrungen des Lehrers in der Fremdsprahendidaktik, in sprachlich-kultureller Hinsicht seine Kompetenzen in der Ziel und der Ausgangssprache, seine Attitüden hinsichtlich des code switching unbd des code choice, seine interkulturellen Fähigkeiten. Im Vergleich zur regulären Unterrichtssituation läßt der Modellversuch den Lehrern mehr Möglichkeiten, aus einem breiteren Spektrum an Lehrstrategien auszuwählen. Aus der Analyse der in den Unterrichtssequenzen vonstatten gegangenen Lehrer-Schüler-Dialoge wurden die Auswirkungen unterschiedlicher Vorgehensweisen auf die Schülerreaktionen untersucht, wobei es Ziel der Projektes sein wird, aus dieser Faktorenkomplexion Konsequenzen für die Optimierung und die Effizienz des Fremdsprachenunterrichts zu ziehen.



Almut Meyer („Musikkulturen im Fremdsprachenunterricht. Ein Interpretationsmodell von Musiktexten als Musikkultur am Beispiel des DaF-Unterichts“) monierte, daß obwohl die Fremdsprachendidaktik seit langem sowohl das troditionelle Liederrepertoire als auch zum Teil Instrumentalmusik in ihren Unterrichtskonzepten berücksichtigt, die musikkulturellen Inhalte der Texte im Lehrstoff in der Regel unbeachtet bleiben und Musik bisher eine vor allem dekorative Funktion im Unterricht zu besitzen scheint. Sie stellte Musik dagegen als einen angemessenen Weg heraus, Kulturen kennenzulernen. Musik ist nicht nur ein universelles Phänomen menschlicher Gesellschaften, sie leitet ihre Bedeutung auch aus ihrem jeweiligen kulturspezifischen Kontext ab. Meyer schrieb somit der Musik eine Vermittlerrolle zu, die es ermöglicht, den Lernern im Fremdsprachenunterricht die Kultur der Zielsprache näherzubringen und dadurch auch Reflexionen über ihre Muttersprache in ihnen anzuregen.



Eckhard Paul stellte einen „Begleitkurs Russisch – ein motivationsförderndes Angebot“ vor, der darauf abzielt, Motivationsfelder zu erschließen, die über das eigene Fach, die vermittelte Fremdsprache, hinausgehen. Dieser Ansatz sei seiner Meinung nach besonders in der gegenwärtigen Lage notwendig, in der durch die vordringliche Existenzsicherung der Studierenden eine veränderte Motivationsstruktur herrscht. Hinzu kommen beispielsweise begrenzte Personalressourcen an den Universitäten und die Tatsache, daß Studierende zuim Teil ohne Vorkenntnisse anderer slawischer Sprachen an das Russische herantreten – Phänomene, die allesamt die Inhomogenität des fremdsprachigen Anfangsniveaus verschärfen.



Der vorliegende Bericht von der Zehnten Göttinger Fachtagung wird im nächsten Heft von Fremdsprachen und Hochschule (FuH 69) mit der Beschreibung der Arbeitsgruppe 4 (Interkulturelle Einstellungen), der Arbeitsgruppe 5 (Emotion und Kognition in der Fremdsprachenforschung) sowie der Arbeitsgruppe 6 (Emotion und Kognition in und mit Medien) fortgesetzt.





Literatur



Bruner, J.: Actual Minds, Possible Worlds. Cambridge: Harvard University Press 1986



Enqvist, N.-E.: On the Interpretablility of Texts in General and of Literary Texts in Particular. In: Sell (1991)



Kleinschmidt, E.: Das kommunikative Potential französischer Strukturübungsprogramme. Ein lehrwerkkritischer Beitrag zur Erarbeitung Kommunikativer Minima. Tübingen: Narr 1988



Schmenk, B.: Geschlechtspezifisches Fremdsprachenlernen? Zur Konstruktion geschlechtstypischer Lerner- und Lernbilder in der Fremdsprachenforshung. Tübingen: Staufenburg 2002 [Vgl. hierzu auch die Rezension von K. Vogel in FuH 67 (2003), 115-118]



Sell. R.D.: Literary Pragmatics. London: Routledge 1991



Sperber, D. / D. Wilson: Relevance: Communication and Cognition. Oxford: Blackwell 1998