Article: Zehnte Göttinger Fachtagung "Emotion und Kognition im Fremdsprachenunterricht (Teil 2)




Published in: Fremdsprachen und Hochschule (FuH) 69 (2003), 96-113





Zehnte Göttinger Fachtagung „Emotion und Kognition im Fremdsprachenunterricht“ – ein Aufbruch zu neuen Ufern? - Tagungsbericht (2. Teil)





Thomas Tinnefeld (Göttingen)





In diesem zweiten Teil des Tagungsberichtes (der erste Teil ist ja in FuH 68 erschienen) wird über die Arbeitsgruppe 4 („Interkulturelle Einstellungen“), die Arbeitsgruppe 5 („Emotion und Kognition in der Fremdsprachenforschung“) und die Arbeitsgruppe 6 („Emotion und Kognition in und mit Medien“) berichtet.



Die Arbeitsgruppe 4 „Interkulturelle Einstellungen“ wurde geleitet von Adelheid Hu und Dietmar Roesler.



Die Arbeitsgruppe wurde eröffnet durch den Vortrag von Klaus-Börge Boeckmann über das Thema „Fremdsprachenunterricht und kultureller Kontext – DaF in Japan“. Darin referierte er die Ergebnisse einer mehrjährigen Studie, in der der Frage nachgegangen wurde, ob und in welchem Ausmaß ‚westliche‘ kommunikative Unterrichtsmethodik in einem ostasiatischen Kontext angemessen ist und mit welchem Erfolg sie eingesetzt werden kann. Die in der japanischen Gesellschaft bisweilen geforderte Umorientierung des Deutschunterrichts - weg von der traditionellen Betonung von Grammatik und Lektüre und hin zu Kommunikation und interkultureller Verständigung – wird nicht selten mit der Einstellung konfrontiert, nach der kommunikativer Unterricht nicht der japanischen Lehr- und Lernkultur entspreche. In diesem Kontext fand Boeckmann die anfängliche Annahme einer Inter-Methode – also einer Hamonisierung von beiden Ansätzen - anhand seiner empirischen Daten, die Unterrichtsbeobachtung, Lernerbefragungen sowie Interviews mit Lehrern und Lernern einschlossen, nicht bestätigt. Eine solche Inter-Methode konnte bei erfolgreich unterrichtenden Lehrkräften nicht nachgewiesen werden. Statt solcher makrostruktureller Faktoren wie Lehr- und Lerntraditionen ergab sich hingegen, daß mikrokulturelle Aspekte wie die institutionelle Einbettung des Unterrichts und seine technischen Durchführungsbedingungen – Stichworte sind hier Lernerzahl und Zeitbudget – sich als maßgeblich erwiesen. Das Aufwachsen in einer unterschiedlichen Lehr- und Lernkultur scheint den Lernenden den Zugang zu einem ganz anderen Kommunikations- und Lernverhalten im Deutschuntericht nicht zu verstellen. Als zentrales Ergebnis seiner Studie konnte Boeckmann feststellen, daß universelle Probleme der Gestaltung von Fremdsprachenunterricht von größerer Bedeutung zu sein scheinen als kulturelle Phänomene.



Milena Dvoráková („Interkulturelle Kommunikation – Analyse von Veränderungen in der Organisationskultur von Unternehmen in der Tschechischen Republik“) beschrieb das neu an der technischen landwirtschaftlichen Universität Prag eingerichtete Fach „Interkulturelle Kommunikation“ und referierte über eine dort entstehende Analyse der Organisationskulrtur in tschechischen Unternehmen mit besonderer Berücksichtigung von deren Veränderung vor und nach der Wende 1989. Ziel ist es, die Veränderungen in der Organisationskultur durch Transformationsprozesse und die Bewertung des Organisationskulturspektrums der ausgewählten Unternehmen festzustellen – und dies in drei verschiedenen Zeitebenen: die Bewertung des Kulturprofils vor der Wende im Jahre 1990, die Bewertung des bestehenden Organisationskulturspektrums und die Bewertung des gewünschten Organisationskulturspektrums. Als Methode verwendete sie eine einfache Tabelle mit entsprechender Punkteskala, in der elf Faktoren berücksichtigt wurden: Internationalität, Entscheidungsführung, Kommunikation und Informiertheit, überwiegender Leitungsstil, Kontrolle und Motivation der Angestellten, Innovation, Personalpolitik Arbeitbedingungen ästhetisches Niveau und Image. Die Bewertung aller dieser Faktoren ergab, daß in den untersuchten Unternehmen bisweilen große Veränderungen stattgefunden haben – zum Teil jedoch auch große Konstanz herrscht: Die Analyse von Veränderungen in der Organisationskultur tschechischer Unternehmen hat gezeigt, daß diese sich als ein recht langsam ablaufender Prozeß darstellen, in dem Veränderungen lediglich sukzessive erwartet werden können.



Lutz Küster („Emotion und Kognition im Bildungsgedanken - Erziehungswissenschaftlich-soziologische Aspekte eines interkulturellen Fremdsprachenunterrichts“) ging aus von dem Bildungsbegriff, mit dem sich im deutschen Sprachraum die Vorstellungen eines gegebenen Wissenskanons und einer gereiften Persönlichkeitsentwicklung verbinden, die ihrerseits auf Normativität und Vereinheitlichung abzielen. Im Zeichen der Postmoderne ergibt sich dagegen keine solche statische Vorstellung, sondern vielmehr die Idee eines Prozesses individueller Welt- und Selbstwahrnehmung, in dem Differenz und Heterogenität anerkannt werden und daher der Widerspruch eine zentrale Bedeutung erhält. Besonders mit Blick auf interkulturelle Einstellungen sind erziehungswissenschaftliche Perspektivierungen von Pluralität und Bildung bedeutungsvoll. Die Relativierung der Bedeutung der Ratio und die Anerkennung affektiver, sinnlicher und ästhetischer Potentiale in Neuhumanismus sind als historisches Beispiel für die Entgrenzung einstiger Kognitionsfixierung zu nennen. Hieran bieten sich interessante Anbindungsmöglichkeiten an die in der Fremdsprachendidaktik diskutierte Frage einer Anerkennung von Differenz – Differenz in Bezug auf das Andere, aber auch Differenz in Bezug auf das Eigene – an, wobei die Modellierung individueller Identität zur Disposition steht.



Werner Delanoy referierte über „Interkulturelles Fremdsprachenlernen als Prozeß“, wobei ihm als Grundlage ein prozeßorientierter, dynamischer Kulturbegriff diente, der den Umgang mit fremden Kulturen als ein Miteinander und als ein Bewältigen von Konflikten im Dialog sieht. Diesem theoretischen Kulturbegriff steht auf didaktischer Ebene eine handlungs- und erfahrungsorientierte Lerntheorie gegenüber. Interkultureller Fremdsprachenunterricht ist bestrebt, in der Unterrichtspraxis nachhaltig und dauerhaft Berücksichtigung zu finden. Dieses Ziel ist jedoch bisher nicht in befriedigender Form erreicht worden. Der Vortrag verstand sich als ein Versuch, Theorie und Praxis einander anzunähern, wobei Delanoy eine Doppelperspektive verfolgte: diejenige des Forschers und diejenige des Lehrers. Dabei ging er aus von dem Prinzip der Prozeßorientierung, das unter anderem das Problem der Organisation von Lernprozessen inkludiert. Diese Problem diskutierte er anhand konkreter Praxismodelle, die die affektive und auch die kognitive Seite betrafen. Im Hinblick auf die konkrete Lehrerperspektive stellte er eigene Unterrichtserfahrungen mit Bruce Springsteens Song Sinaloa Cowboy bzw. mit dem Thema Illegal Immigrants in the U.S. zur Diskussion. Dabei zeigte sich, daß das komplexe Wechselspiel zwischen theoretischen Konzepten und praktischem Unterricht zu einer nachhaltigen gegenseitigen Bereicherung beider führen kann.



Annette Baumgart und Heike Wapenhans sprachen über die „Vermittlung landeskundlicher Phänomene unter Berücksichtigung affektiver und kognitiver Besonderheiten in homogenen Kulturen (am Beispiel des Russischen))“ und hoben somit auf sprachliche, außersprachliche sowie pragmatische Erscheinungen ab, die für solche Kulturen wie zum Beispiel Russland / die Sowjetunion zwischen 1917 und 1985 typisch sind. In homogenen Kulturen liegt eine Vereinheitlichung von Sozialisation, Bildungspolitik, moralischen und gesellschaftlichen Werten vor, wodurch sich verhältnismäßig einheitliche „Kulturträger“ entwickeln - und somit ein einheitliches Weltbild. Auf diese Weise existiert – auch über die Kenntnis der klassischen Kultur hinaus - Kulturgut aus neuerer und neuester Zeit, das der gesamten Sprachgemeinschaft vertraut ist. Dieser kulturelle Hintergrund führt zum Ablauf typischer Sprachprozesse, wofür als Beispiel die in der russischen Linguistik bekannten „Präzedenztexte“ genannt wurden. Diese lösen als Gegenstück zu den kognitiven Metaphern beim Leser oder Hörer – bewußt oder unbewußt – affektive und kognitive Reaktionen aus. Diese Auslöser können Zitate aus Filmen, Liedern, Gedichten, Losungen und ähnlichen Texten sein; sie sind in homogenen Kulturen bei allen Sprachträgern mehr oder minder indentisch, was ihren häufigen Gebrauch in der Umgangssprache und ihre Beliebtheit im pressesprachlichen Gebrauch erklärt. Ihr Sinn kann dagegen ausschließlich durch das entsprechende Hintergrundwissen verstanden werden, und somit muß im Fremdsprachenunterricht eine dahingehende Sensibilisierung der Lernenden einerseits und eine entsprechende didaktische Aufbereitung dieser Phänomene andererseits vorgenommen werden.



Barbara Schmenk („Interkulturelles Lernen versus Autonomie? ) stellte diese beiden Begriffe als inflationär verwendete und somit zu weitverbreiteten labels degenerierte Entitäten vor, die nahezu keinerlei trennscharfes konzeptuelles Profil mehr aufweisen. So kann davon ausgegangen werden, daß sich beide Begriffe ausschließen. Während Interkulturalität als weitgehend emotionales Lernziel verstanden werden kann, wird der Begriff Autonomes Lernen mit einem Lernerbild verbunden, das solche Qualitäten wie Selbstmanagement, Selbststeuerung, Individualisierung einschließt. Autonomie und Interkulturalität als gemeinsame Ziele des Fremdsprachenunterrichts zu fördern, könnte somit eine unmögliche Aufgabe darstellen. Daß dem nicht so ist, versuchte Schmenk in ihrem Vortrag zu zeigen, indem sie das beschriebene didaktische Paradoxon von Autonomie und Interkulturalität durch eine Problematisierung des Autonomiebegriffes aufzulösen versuchte. Um dies erfolgreich zu tun, werden die existierenden technizistisch-mentalistischen Vorstellungen von Lernerautonomie aufgegeben werden müssen – zugunsten von pädagogischen Autonomiekonzeptionen, die zu einem Autonomiebegriff führen, der sich auch auf erziehungs- und bildungspolitische Bereiche erstreckt. Eine solche Entwicklung könnte dazu beitragen, interkulturelles Lernen nicht als Gegenteil, sondern als integralen Bestandteil der Förderung von Autonomie beim Fremdsprachenlernen aufzufassen. Voraussetzung dafür sei jedoch, das Fremdsprachenlernen nicht ausschließlich als kognitiven Prozeß anzusehen, sondern es im Kontext der gesamten Lernerpersönlichkeit mit ihren kognitiven, emotionalen, sozialen und kulturellen Implikationen zu begreifen.



Stefanie Lammfuss-Schenk („Mußte der König hingerichtet werden? Fallait-il exécuter le Roi? – Unterrichtsanalysen zur Frage, ob Empathie Fremdverstehen fördert oder behindert“) untersuchte diese Problematik anhand von Datenmaterial aus einer ethnografischen Longitudinalstudie im bilingualen deutsch-französischen Geschichtsunterricht. Dabei konnte sie zeigen, auf welche Weise sich starke emotionale Anteilnahme von Schülern auf ihre Entwicklung von Fremdverstehen auswirkt. Ihre Beobachtungen erwiesen sich dabei als außerordentlich vielschichtig. So konnte sie Empathie nicht nur als positives Element ermitteln, sondern sogar Fälle ausgrenzen, in denen sie die Initialzündung für weiteres Fremdverstehen behinderte oder gar ausgeschloß. Die vorgestellte Vielschichtigkeit der Ergebnisse kann zweifelsohne das Bewußtsein für die Komplexität der Verstehensprozesse der Schüler zu schärfen helfen. Ob dies jedoch eines Tages zu einer „Didaktik der Emotionen“ beitragen kann, bleibt bislang dahingestellt.
Sharon Zaharka referierte über „“Simulationen als Brücke zwischen Emotion und Kognition“ und stellte ihr Unterrichtskonzept für den Bereich Interkulturelle Kommunikation in ihren Veranstaltungen zum Wirtschaftsenglischen an der FH Konstanz vor. Zentraler Punkt ihres Vortrags war der Einsatz von Simulationen. Dabei konnte sie zeigen, wie im Verlauf der anschließenden Diskussion die Studierenden ihre in der entsprechenden Simulation durchlebten Emotionen verbalisieren konnten und auf welche Weise diese Verbalisierung ihnen half, eigene Erkenntnisse zur interkulturellen Kommunikation zu gewinnen.



Mehmet Metin untersuchte „Das System von Höflichkeitskonventionen als Ursache interkultureller Mißverständnisse“. Die Verletzung der jeweils stark kulturell gebundenen Höflichkeitssysteme kann Kommunikation erheblich beeinträchtigen und zu Mißverständnissen, zur Erschwerung oder Verunmöglichung von Kooperation oder gar zu Agression führen. Dabei ist Höflichkeit kein eindeutiges, für alle Mitglieder einer Gesellschaft klar festgelegtes bzw. festlegbares Phänomen: Gruppenspezifische Erwartungen und normative Einstellungen treten hinzu. Menschliche Kommunikation besteht nahezu niemals allein aus eigentlichem Informationsaustausch oder der reinen Mitteilung von Sachverhalten. Hinzu tritt für die Kommunikationspartner immer das Bestreben, die eigene Identität auszubilden oder zu stärken, also das Gesicht zu wahren. Unter dem Begriff ´Gesicht´ sind all diejenigen Merkmale und Eigenschaften zu verstehen, die ein Sprecher für sich in Anspruch zu nehmen bestrebt ist. Unterschieden werden kann dabei zwischen positivem Gesicht (dem Wunsch des Individuums, anerkannt, unterstützt, geschätzt zu werden) und dem negativen Gesicht (dem Bedürfnis, das eigene Territorium so wenig wie möglich einschränken zu lassen). An den Handlungsbereichen Auffordern und Ablehnen/Widersprechen exemplifizierte Metin das Konzept der Höflichkeit schließlich.



Ingrid Mummert, die über „Interkulturelles Lernen beim Interpretieren von literarischen Texten“ referierte, bezog sich auf ihren Literaturunterricht mit Studierenden am Studienkolleg Hamburg und zeigte anhand von Interpretationsbeispielen drei von ihr verwendete, ineinandergreifende Phasen dieses Lernprozesses auf: Die Studierenden erhalten im Unterrichtsgespräch auf der Grundlage eines rezeptionsästhetischen literaturdidaktischen Modells einen meist für sie neuen kognitiv-emotionalen Zugang zu literarischen Texten, der es ihnen ermöglicht, ihre eigene interkulturelle Welt zu der fiktiven Welt des jeweiligen literarischen Werkes in Beziehung zu setzen und beide Welten als gleichermaßen wichtig zu erfahren. Für die darauffolgende schriftliche Interpretation bietet sich durch dieses Modell die Chance, sowohl zu einer subjektiven Rezeption zu gelangen als auch zu einer angemessenen Textbearbeitung. Für die Erzielung dieses Ergebnisses ist darüber hinaus eine „kooperative Aufsatzlehre“ notwendig, bei der die Studierenden lernen, ihre Einschätzung für gelungene und für noch zu verbessernde Interpretationsbestandteile zu entwickeln, um dadurch ihre eigenen Klausuren selbstkritischer und selbstbewußter zu überarbeiten.
In ihren „Vorüberlegungen zu einer Didaktik der Fremdheitskompetenz“ betrachtete Anniki Koskensalo diese als eine der Voraussetzungen für die Erlangung einer interkulturellen kommunikativen Kompetenz. Fremdheitskompetenz sei nur unter der Bedingung von Nutzen, daß kulturelles Wissen mit einer Offenheit für Abweichungen und komplexe Zugehörigkeiten verbunden sei. Fremdheitskompetenz, die sich im Laufe des Fremdsprachenlernens immer weiter verbessere, spiele beim vierstufigen Aufbau interkultureller Kompetenz eine zentrale Rolle: Erstens ermöglicht sie ein elementares Zurechtfinden in der sprachlich und kulturell vertrauten Umwelt; zweitens ein erstes Verständnis der Mentalität der anderen Kultur; drittens eine nach und nach verbesserte Koordination kulturdifferenter Handlungsschemata für gemeinsames Handeln und viertens ein generalisiertes Kulturlernen zur Orientierung und Anpassung in schnell wechselnden Feldern des kritischen Lernfeldes Ausland. Die damit verbundene Infragestellung des Selbstverständlichen ist eine Chance zur Aneignung einer komplexen Identität, in deren Rahmen aus fremdem Kommunikationsverhalten positive Möglichkeiten für das eigene kommunikative Handelns abgeleitet werden können. Das Eigene und das Fremde stellen somit die beiden Pole dar, die in kontrastiver Dimension den sprachlichen Bewegungsraum des Fremdsprachenlehrers und –lerners bestimmen. Im Rahmen dieses kontrastiven Ansatzes, in dem speziell die Differenz den Unterschied ausmacht, ist es notwendig, in der interkulturellen Kommunikation den Versuch zu unternehmen, diese Kulturunterschiede empirisch zu operationalisieren.



Winfried Lange („Kommuniaktive und interkulturelle Kompetenzen und Verhaltensweisen in ESP- und Übersetzungskursen – Handlungskonzepte zur Kommunikationsoptimierung“) betonte in seinem Vortrag zunächst die Bedeutung von Fragen der Kultur und Interkultur auch in der fachsprachlichen Fremdsprachenausbildung. Nach der Vorstellung dieser Ausbildung und derjenigen von Fachübersetzern an der Hochschule Anhalt zeigte er anhand des Schichtenmodells Trompenaars auf, in welcher Weise Aspekte kultureller Differenzierungen und interkultureller Implikationen die jeweiligen Studiengänge durchdringen. Einen wichtigen Ansatzpunkt stellte für ihn dabei die Ausweitung der Landeskunde zu den entsprechenden sprach- und kulturspezifischen Veranstaltungen hin dar. (vgl. Begriffe wie British Cultural Studies oder American Cultural Studies). Diese Ausweitung ermöglicht einen Einstieg zum Veständnis, zur Analyse und Interpretation einer fremden Kultur, da in ihrem Rahmen Rekonstruktions- und Transferprozesse vorgenommen, Selektions- und Translationsprozesse durchgeführt und interkulturelle Kommunikationsfähigkeit ausgeprägt werden können. Begriffe wie Äquivalenz, Kulturspezifik, Texttypen, Textsorten stehen zu diesen Prozessen in ebenso enger Verbindung wie die Umsetzung übersetzungswissenschaftlicher Kategorien in der Praxis, in welcher Kulturspezifika, insbesondere auch bei der Übersetzung hochspezialisierter technischer Sachverhalte eine wichtige Rolle spielen. Diese Zusammenhänge zeigte er anhand von Beispielen auf.



Die Arbeitsgruppe 5 befaßte sich mit dem Themenkomplex „Emotion und Kognition in der Fremdsprachenforschung“ und wurde geleitet von Rüdiger Grotjahn und Claudia Riemer.



Den ersten Vortrag in dieser Arbeitsgruppe hielt Dagmar Abendroth-Timmer über „Grundprinzipien der Aktionsforschung und ihre Bedeutung für die Fremdsprachendidaktik“. In diesem Zusammenhang zeigte sie das Entstehen der Aktionsforschung auf - in dem Bemühen der Überwindung der Dichotomie zwischen Theorie und Praxis, das sich darin manifestiere, daß die im sozialen Feld agierenden Personen zur Bewußtwerdung und zur theoriegeleiteten Veränderung ihres Handelns gelangen. Aktionsforschung im schulischen Bereich wird Schulbegleitforschung genannt. Dabei werden Lehrer und Lehrerinnen hinzugezogen, und es wird von ihrem praktischen Handeln und von ihren Fragen bzw. Forschungsfragen ausgegangen. Im Rahmen der Arbeit werden sie an Froschungsinstrumenten und deren Entwicklung beteiligt, die sie ihrerseits in schulische Innovation umsetzen. Von Bedeutung ist dabei, daß man erkannt hat, daß schulische Innovationsprozesse Lehrern nicht aufgezwungen werden können. Sie sind nur dann umsetzbar, wenn sie für die Lehrer und Lehrerinnen selbst von Bedeutung und von Interesse sind. Die Gruppe der Lehrer und Lehrerinnen wertet im Rahmen der Arbeit ihren Unterricht aus und entwickelt ihn weiter; auf der anderen Seite erhalten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einen genauen Einblick in das erforschte Feld und können ihre theoretischen Konzepte mit der schulischen Praxis korrelieren. Ziel des Vortrags war es, anhand des Schulbegleitforschungsprojekts “Internationalisierung des Sachfachunterrichts durch bilinguale Module: Modelle – Methodik – Motivation“ Modifikationsmöglichkeiten des Forschungsparadigmas der Aktionsforschung hinsichtlich der Dichotomie ‚Theorie – Praxis‘ und ihre Leistungen innerhalb der fremdsprachendidaktischen Forschungen aufzuzeigen. Die Referentin machte deutlich, daß durch das Paradigma der Aktionsforschung durchaus andere, neue Forschungsabläufe entstehen können.



Jürgen Kurtz („‘TEFLSPEAK-G‘ im universitären Tagespraktikum: Einige diskursanalytische und hochschuldidaktische Überlegungen“) untersuchte mit TEFLSPEAK-G eine im universitären Tagespraktikum häufig beobachtete Subvariante von Unterichtssprache auf ihre zentralen Merkmale hin. Er verwies auf die Probleme, die sich zum Beispiel in bezug auf die Versprachlichumng von Emotionen im Fremdsprachenunterricht ergeben können wie auch auf mögliche Konsequenzen für die Fremdsprachenlehrerausbildung. Auch hinsichtlich dieses Vortrags, bei dem nicht alle Implikationen im gegebenen Rahmen dargestellt werden können, sei auf die noch zu erwartenden Publikationen zur Zehnten Göttinger Fachtagung (vgl. auch Tinnefeld in FuH 68/2003, 61-78) verwiesen.



Rüdiger Grotjahn berichtete in seinem Vortrag über „Das Projekt ‚Tests and Attitude Scales for the Year Abroad‘ (TESTATT): Theoretische Basis und empirische Resultate“. Dies ist ein gemeinsames Projekt der Universitäten Portsmouth (England), Duisburg und Bochum, das die Entwicklung von ökonomischen, reliablen und validen Instrumenten zur Messung der Variablen „Einstellung zur eigenen und fremden Kultur“, „Sprachlernmotivation“, „Introversion/Extraversion“ und „Angst beim Gebrauch der Fremdsprache“ zum Ziel hat. Den anderen Schwerpunkt des Programms stellt die Entwicklung einer Batterie von C-Tests zur ökonomischen und reliablen Messung der globalen Fähigkeit in der Fremdsprache dar. Dabei wurden die entsprechenden Skalen und Tests für die Sprachen Deutsch und Englisch entwickelt und sollen im Hinblick auf Auslandsaufenthalte sowohl in Forschungskontexten einsetzbar sein als auch für die Selbstevaluation der Studierenden. Die Überprüfung der Eindimensionalität der entwickelten Instrumente wurde durch maximun likelihood-Faktorenanalysen gewährleistet; zur Abschätzung der Reliabilität wird Cronbachs Alpha ermittelt, wobei die Stichprobe N = 417 Studierende betrug. Analysiert wurden ebenfalls die bestehenden Interkorrelationen der Skalen und Tests. Als Ergebnis konnte ermittelt werden, daß das Ziel von TESTATT, das in der Entwicklung von ökonomischen Assessment-Instrumenten bestand, weitgehend erreicht worden ist.



Claudia Riemer („Zur Relevanz qualitativer Daten in der neueren Motivationsforschung“) erläuterte zunächst die Orientierung der Motivationsforschung der 1990er Jahre im quantitativem Forschungsparadigma. Dabei wurden Fragen danach gestellt, welche Motivationsarten beispielsweise gute Prädiktoren seien und welche Bezugsdisziplinen relevante Theorien liefern könnten; es wurden Konstrukte wie self-determination, locus of control, self-efficiency und need for achievement operationalisiert. Hinzu trat die Berücksichtigung von Unterichtsvariablen. Die Referentin stellte dar, daß Motivation als dynamischer Faktor diskutiert werden sollte, der immer auf eine individuelle Persönlichkeit (Einzelgänger-Hypothese) bezogen ist. Sie stellte qualitative Pilotstudien vor, in denen auf der Basis von maximal offenen und semi-offenen Datenerhebungsverfahren (schriftliche Sprachlernmotivationsbiographien und leitfadengestützte Interviews) die Nachweisbarkeit der genannten Komponenten untersucht wird - wie auch ihre Relevanz für die Ausbildung von Sprachlernmotivation aus der Perspektive der Lernenden. Studien dieser Art basieren auf der Annahme, daß solche qualitativen Daten unverzichtbar sind für die Entwicklung valider standardisierter Instrumentarien – eine Aussage, die mehr als nur Plausibilitätscharakter hat.



Christiane Fäcke („Verstehensstrukturen zwischen Affektion und Kognition. Ergebnisse einer Fallanalyse aus einem qualitativ-empirsichen Forschungsprojekt“) stellte Verstehensprozesse einer Schülerin vor, die an dem empirischen Forschungsprojekt zu „Transkulturellem Verstehen durch fremdsprachige Literatur bei mono- und bikulturell sozialisierten Jugendlichen“ teilgenommen hat. Sie ging zunächst auf theoretische und methodologische Überlegungen zu diesem Forschungsprojekt ein und erläuterte dann die triangulierende Erhebung von Verstehensprozessen Jugendlicher mit Hilfe introspektiver Verfahren (lautes Denken, Leseprotokoll, Leitfaden-Interview) im Zusammenhang mit unterschiedlichen geographischen Kontexten. Bei einem solchen Verfahren werden zunächst Einzelfallanalysen erstellt, die zu strukturellen Vergleichen führen sollten. Die Referentin erläuterte die Verstehensprozesse der Probandin Anna, ihre Äußerungen im Spannungsfeld von Affketion und Kognition, die ihre Einstellungen zu den Inhalten des zugrundeliegenden literarischen Textes verdeutlichten, wie auch ihre Reflexion darüber sowie ihre Strategien hinsichtlich des Verständnisses dieser Inhalte.



Veronica Smith, Hermann Cesnik und Wolfgang Gasser („Metaphererkennung als Organisationsprinzip: eine quantitative und qualitative Untersuchung zum Lesen in der Fremdsprache“) untersuchten Verständnisprobleme von L2-Lernern in Bezug auf die Metaphorik des Wirtschaftsenglischen in quantitativer und qualitativer Hinsicht, da Metaphern sogar eine solch kurzlebige Textsorte wie Zeitungstexte, und hier besonders Finanzberichte, bisweilen strangartig durchziehen, was Muttersprachlern in der Regel keine Verständnisschwierigkeiten bereitet, gingen die Referenten davon aus, daß L2-Lerner nicht unbedingt in der Lage sein werden, einem solchen Text die relevanten Bedeutungen zu entnehmen. Ziel ihrer Untersuchung ist es, daß Problem des Textverständnisses näher zu bestimmen. Die Lernenden in der Studie sind fortgeschrittene Studentinnen und Studenten der Anglistik sowie der Betriebswirtschaftslehre mit unterschiedlicher Sprachbeherrschung des Englischen als Fremdsprache. Konkret untersucht wurden die Erkennungsmuster der begrifflichen Metaphern love und war, die in dem Vortrag auch exemplifiziert wurden. Insgesamt soll die Studie die Frage danach beantworten, welche Lesestrategien Studierende einsetzen und in welcher Weise sich die Sprachbeherrschung auf das Lesen in der Zweitsprache auswirkt – Ergebnisse, die mit einiger Spannung erwartet werden dürfen.
Petra Bolenius („Zur Bedeutung von Emotionen in der Lehrplanrezeption – das Beispiel Englisch“) verwies zunächst auf die unterschiedliche Rolle von Curricula oder Lehrplänen, die sie in den 1960er und 1970er Jahren hatten und heute haben. Stellten sie früher staatliche Steuerungs- oder gar Kontrollinstrumente dar und war ihr Ziel letztendlich eine grundlegende Reform des Bildungswesens, so sind Lehrpläne bzw. Curricula heute Orientierungsgrößen für die von den Lernern selbst zu gestaltenden Lernprozesse. Sie sind jedoch weiterhin der Rahmen für Innovation und Entwicklung von Schulunterricht, wobei der Gestaltungsspielraum der Lehrerinnen und Lehrer deutlich erweitert worden ist. So fand sie es nur konsequent, daß man heute eher von negotiated curriculum oder process syllabus spricht. Die Referentin ging weiterhin der Frage nach, welche emotionalen Faktoren die Auseinandersetzung mit dem neuen Lehrplan sowie dessen Umsetzung im Unterricht beeinflussen, und stellte dabei ein mögliches qualitatives Forschungsdesign vor – ein Design, das durchaus dazu angetan sein könnte, Lehrplänen und Curricula eine neue emotional positiv besetzte Rolle im schulischen Lernkontext zuzuweisen.



Marie-Reine Blommaert („Selbstevaluation zwischen Selbstentfremdung und Selbstakzeptanz“) ging in ihrem Vortrag von dem interessanten Phänomen aus, daß solche Studierende, die über ein hohes Spechfertigkeitsniveau verfügen, oder auch Muttersprachler die Tendenz zeigen, sich an ihre mündlich gemachten Fehler zu gewöhnen, sie nicht mehr zu hören, sie nicht mehr zu identifizieren – sie schließlich einfach zu ignorieren. Sie zeigte Möglichkeiten auf, in einer solchen Situation die Bewußtheit und die Motivierung der Studierenden zu aktivieren. Solche Möglichkeiten bestehen beispielsweise in der Arbeit mit Audio- und Video-Aufnahmen sowie Klassengesprächen oder Übungen, die von den Studierenden selbst bewertert werden. Weiterhin erlauben die neuen Technologien nicht nur eine individuelle Bewertung durch Studierende, sondern auch diejenige der eigenen Produktion in der Klasse, die Evaluation eines Studierenden durch die ganze Gruppe, ja gar Peer-Evaluationen in Kleingruppen, um nur einiger dieser Möglichkeiten zu benennen. Die Referentin zeigte die Chancen und Grenzen solcher Selbstevaluation auf, verwies auf die zum Teil nicht unbeträchtlichen Hindernisse, die bei ihrer Anwendung überwunden werden müssen, und stellte ihr Hilfspotential für Studierende und Lehrkräfte heraus. Dabei ist es nötig, mit sehr großer Sensibilität zu Werke zu gehen.



Karin Aguado („Introspektion als Zugangsmöglichkeit zu Emotion und Kognition“) verfolgte in ihrem Vortrag das Ziel, im Rahmen einer Longitudinalstudie aufzuzeigen, welche Aufschlüsse unterschiedliche introspektive Verfahren - wie zum Beispiel Fragebogen, Interview, Retrospektion oder lautes Denken - über fremdsprachenerwerbsspezifische emotionale und kognitive Prozesse ermöglichen. Dabei zielte sie auch auf eine Verbesserung der Methode im Sinne einer stärkeren Systematisierung und einer sorgfältigen Anwendung ab – dies besonders wegen der starken Vorbehalte, die gegen den Einsatz introspektiver Verfahren immer wieder hervorgebracht werden. Dabei betont sie, daß es durchaus lohnend sei, introspektive Daten zu erheben.



Nicola Mayer („Das Interview als ganzheitliche Methode“) verwies zunächst auf die dem Begriff Ganzheitlichkeit zugrundeliegende Problematik: Der Begriff ist einfach, weil er eine Vertrautheit weckt, die oft nicht hinterfragt wird; er ist komplex, weil man dann, wenn man den Begriff näher zu ergründen versucht, an die Grenzen des Denk- bzw. Ausdrückbaren stößt. Dabei wird der Anspruch auf Ganzheitlichkeit vor allem für die empirische Praxis gefordert. Im Rahmen ihrer Dissertation fand die Referentin heraus, daß es notwendig sei, Ganzheitlichkeit zum einen innerhalb der von ihr durchgeführten Interviews zu thematisieren, aber auch im Hinblick auf ihren eigenen „Forschungsstil“, und ihn darin zu integrieren. Diese Aspekt beträfen sowohl die praktische Umsetzung der Untersuchung als auch ihre schriftliche Dokumentation. Dabei versuchte sie, den Anspruch auf Ganzheitlichkeit auf folgenden Ebenen umzusetzen: auf der formalen Ebene hinsichtlich einer umfassenden Sicht aller am Interviewprozess beteiligten Faktoren, insbesondere der Subjektivität der Forscherin; auf der inhaltlichen Ebene hinsichtlich eines ganzheitlich-ehtischen Verständnisses der Interviewsituation und der Beziehung zwischen den Interviewpartnern; auf der medialen Ebene im Hinblick auf Sprache und Ganzheitlichkeit als Medium und Gegenstand des Gesprächs. Diese Vorgehensweise konkretisierte sie anhand eines Auswertungsbeispiels aus ihrer Studie.



Anna Herwig sprach über „Gedankenprotokolle als Hilfsmittel zur Rekonstruktion semantischer Netzwerke und des Versprachlichungsprozesses“ und ging von der Prämisse aus, daß Protokolle lauten Denkens bei Sprachproduktionsaufgaben Einblicke in kognitive Prozesse ermöglichen, die sich durch eine ausschließliche Analyse des entstandenen Endproduktes – also des Textes – nur unbefriedigend erschließen lassen. Im Rahmen dieses Ansatzes wird davon ausgegangen, daß diese Methode den Gedankenprozess weitgehend unverfälscht dokumentiert. In ihrem Vortrag beschäftigte sich die Referentin - anhand der Versprachlichung negativer Emotionen im Rahmen einer Erzählung - mit Wortfindungs- und formulierungsprozessen und zeigte auf, daß diese durchaus Rückschlüsse auf kognitive Organisationsprinzipien zulassen können. Die Untersuchung basierte auf einer Studie, in der englische Muttersprachler einen Text verfassen und diesen anschließend ins Deutsche übersetzen sollten, wobei der Übersetzungsprozess mittels der Methode lauten Denkens dokumentiert wurde., dem eine Schlüsselrolle in der Rekonstruktion der kognitiven Strukturen zukam.



Sabine Beyer („Aufmerksamkeit als Strategie des Fremdsprachenerwerbs?“) untersuchte in ihrem Vortrag, bei dem Sie aus ihrem Dissertationsprojekt referierte, ansatzweise die Frage, ob und, wenn ja, wie Fremdsprachlerner ihre Aufmerksamkeit beim Sprechen bewußt auf die Flüssigkeit oder die Korrektheit ihrer Sprachäußerungen lenken und ob bzw. wie sich dies im Laufe des Spracherwerbs verändert. Grundlage dieser Fragestellung sind folgende Zusammenhänge: Das Sprechen in einer Fremd- oder Zweitsprache ist ungleich aufmerksamkeitsintensiver, als dies für die Muttersprache behauptet werden kann. Durch das in der Fremdsprache vorhandene lediglich bruchstückhafte Wissen hinsichtich der dort üblichen Lexik und Grammatik wird beim Sprecher eine erheblich größere Planungszeit notwendig und es werden mehr Fehler gemacht. Diese Konstellationen stellen hohe Anforderungen an den Monitor – der Output ist weniger flüssig als bei Muttersprachlern. Aus der Fremdsprachenlehrpraxis ist evident, daß unterschiedliche Typen von Fremdsprachensprechern existieren. So kann ein Kontinuum angenommen werden – von denjenigen Sprechern, die einen sehr flüssigen Eindruck machen, aber dabei sehr fehlerbehaftet sprechen, bis hin zu denjenigen L2-Sprechern, die aus Angst vor Fehlern kaum wagen, irgendetwas zu sagen. Zusätzlich zu diesen individuellen Parametern kann das Sprechverhalten auch in Abhängigkeit zum Gesprächspartner und der Situation variieren. Es bleibt abzuwarten, welche Antwort die Referentin in ihrer Dissertation finden wird – interessant ist diese Fragestellung jedoch allemal.



Patrick Rebuschat referierte über das Thema „Sprachaufmerksamkeit im Erwerb fremdsprachlicher Lautsysteme“. Er ging von der Annahme aus, daß der postpubertäre Spracherwerb unter gelenkten Bedingungen nicht nur die Bereitstellung von möglichst intensivem, adäquatem sprachlichem Input erfordert, sondern daß ein wie auch immer geartetes Mehr hinzukommen muß. Er schloß sich der allgemeinen Ausgangsbasis an, nach der eine bewußte Wahrnehmung zielsprachlicher Strukturen durch den Lerner notwendig sei, damit deren Erwerb initiiert werden kann; dabei sei inzidentelles, unbewußtes Lernen nicht in allen Fällen möglich; die Aufmerksamkeit des Lerners könne sowohl durch dessen eigene Entscheidung auf eine bestimmte Struktur der Zielsprache gerichtet werden als auch durch externe Einflußfaktoren, beispielsweise durch die Manipulierung des im Unterricht zur Verfügung stehenden Inputs. Als Manko erwies sich nach Rebuschat dabei, daß die meisten empirischen Untersuchungen auf die Morphosyntax abheben, den Bereich der zielsprachlichen Phonologie dagegen weitgehend außen vor lassen. Diese Lücke möchte er selbst empirisch schließen, und er versuchte daher in seinem Vortrag, die Rolle der Sprachaufmerksamkeit beim fremdsprachlichen Lernprozeß allgemein zu definieren, wobei das Ziel darin bestand, festzustellen, welche Rolle sie beim Erwerb der Phonologie im unterrichtlichen Kontext spielen kann - und hinsichtlich dieser Frage konnte sich nur ergeben, daß diese Rolle eine nicht zu unterschätzende ist.



Die Arbeitsgruppe 6 wurde geleitet von Heiner Pürschel und Armin Volkmar Wernsing und unterstand dem Titel „Emotion und Kognition in und mit Medien“.



Die Arbeitsgruppe eröffnete Manfred Overmann mit seinem Vortrag zum Thema „Emotionales Lernen: Sentio, ergo cognosco“. Er gab sich mit diesem Titel ebenso intertextuell, wie sein Vortrag interkognitiv bzw. interemotional war, da er den kartesischen Dualismus von Geist und Körper im Kontext des main stream der aktuellen Forschungslage als Irrtum kennzeichnete und sich den Forschungen der Kognitionswissenschaften anschloß, nach denen keine kognitiven Zustände existieren, in die nicht auch affektive Faktoren einbezogen seien: Das interhemisphärische Gehirn färbt jegliche kognitiv-sensorische Information affektiv. Er forderte - im Anschluß an die humanistische Bildungspädagogik und auf der Grundlage eines neurobiologischen Monismus - eine multimodale Didaktik der Komplexität, die es erlaube, dem Lerner in der dialektischen Einheit von Kognition und Emotion mehrdimensionale Lernsituationen, die mit allen Sinnen erlebbar sind, anzubieten und ihn somit in seiner Persönlichkeit als autonomes Individuum zu rehabilitieren.



Karlheinz Hellwig referierte über „Affektivität in Lernertexten beim medialen Umgestalten“ und legte mit seinem Vortrag eine fremdsprachendidaktische und unterrichtspraktische Auswertung von vier seiner Forschungsarbeiten vor. Diese bezogen sich auf das frei gestaltete Schreiben zur Bildkunst, das freie Übersetzen fremdsprachiger Gedichte ins Deutsche und den Lesereport zu englischsprachigen Gedichten. Dabei zeigte sich, daß sich dann, wenn ein grundlegend kognitiver Ansatz als Forschungsbasis verwendet wurde, in der Reflexion die Emotionalität der Adressaten durchsetzte und aus diesem Grunde die jeweiligen Untersuchungshypothesen komplementär durch emotionale Anteile erweitert werden mußten. Dabei konnte er die im Grunde geläufige Erfahrung bestätigen, nach der Kunsttexte das Denk-Empfinden ihrer Rezipienten ansprechen, also kognitive und emotionale Anteile umfassen, und daß das Denk-Empfinden ebenfalls beim Nach- und Umgestalten dieser Kunsttexte aktiviert wird.



Guido Rings referierte zum Thema „Hybride Außenseiter als Protagonisten zeitgenössischer Filme. Zu emotionalen und kognitiven Leitmotiven in Tykwers ‚Lola rennt‘ und Jeunets ‚Amélie‘“ und berücksichtigte dabei zwei Filme, die nicht selten im Unterricht der Fächer Deutsch bzw. Französisch als Fremdsprache eingesetzt werden. Dabei arbeitete er heraus, daß in diesen modernen Märchen die zeitgenössischen „Heldinnen“ sich von einer pseudo-rational geprägten Gesellschaft emanzipieren und dies besonders auf der Grundlage emotionaler Leitmotive wie Hoffnung und Furcht, aber auch durch angemessenes kognitives Verhalten bewerkstelligen. Die selbstbewußte Lola wie auch die unsichere Amélie rekonstruieren tradierte stereotype Rollenmuster mit dem Ziel ihrer Dekonstruktion in parodisierender Form. Somit erscheinen die kognitiven Leitmotive der in beiden Fällen aktualisierten Männerwelt als artifiziell und inhuman. Durch die Konzeption ihrer mit starken weiblichen Anteilen versehenen mänlichen Partner entgehen die hybriden Protagonistinnen jeglichem Kategorisierungsversuch, der Emotion mit Weiblichkeit und Kognition mit Männlichkeit gleichsetzen könnte. Rings befand, daß diese Darstellungsmuster mit Blick auf den zeitgenössischen europäischen Film durchaus exemplarisch sind und somit auch bei der didaktischen Aufarbeitung beider Filme zentral mitberücksichtigt werden müssen.



Sonja Kleinke („Emotionen im öffentlichen Diskurs der Internetkommunikation“) behandelte zunächst diejenigen Forschungsgesichtspunkte, die im Zusammenhang mit ihrer Thematik hinsichtlich der Internet-Kommunikation und ihrer spezifischen Eigenschaften bereits erforscht worden sind. Dabei zeigten sich Grenzüberschreitungen zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation, zwischen persönlicher und öffentlicher; es zeigte sich das Ineinanderfließen von formellen und informellen Kommunikationsstilen sowie Formen sprachlicher Unhöflichkeit und Gewalt. Bei diesem letzten Punkt – der Untersuchung sprachlicher Unhöflichkeit und Gewalt im Internet – knüpfte ihr Vortrag an, indem sie der Frage nachging, in wie weit Emotionen als innere private Gefühlszustände bzw. Sprecherhaltungen über das Internet zunehmend Bestandteil des öffentlichen Diskurses werden. Die Grundlage ihrer Untersuchung stellten öffentliche Diskussionsforen dar, wobei sie den Zuriff auf unterschiedliche sprachliche Ausdruckstechniken von Emotionen und Emotionalität durch die jeweiligen Diskussionsteilnehmer beleuchtete. Dabei arbeitete sie emotionale Haltungen der einzelnen Teilnehmer gegenüber dem Diskussionsgegenstand einerseits und gegenüber den anderen Diskussionsteilnehmern andererseits heraus. was sich als durchaus aufschlußreich erwies in einem Kommunikationsmedium, das in einem ersten, vorwissenschaftlichen Ansatz vermeintlich für emotionsfeindlich gehalten werden könnte.



Nicola Würffel („Und wenn die Wellenlänge nicht stimmt? Zum Einfluß affektiver Faktoren auf Verstehensprozesse in elektronischen Lehr-Lernsituationen (E-Mail-Praktikum)“) verwies zunächst auf die Notwendigkeit menschlicher Tutorierung im Zusammenhang mit dem computergestützten Selbstlernen – zum einen wegen der beschränkten Feedback-Funktion, zum anderen wegen der Gefahr der emotionalen Isolierung der Lernenden. Sie betonte, daß auch im Zusammenhang mit jeglicher Art und Ausrichtung von E-Mail-Projekten zwischen den beteiligten Partnern nicht selten Mißverständnisse auftreten und dadurch die affektive Ebene verstärkt Bedeutung erlangt. In ihrem Vortrag behandelte sie zentral die elektronisch vermittelte Lehr-Lernsituation eines E-Mail-Praktikums und die Bedeutung der affektiven Faktoren im Lehr-Lernprozeß. Dabei arbeitete sie die Situation eines angehenden Deutschlehrers heraus, der über einen längeren Zeitraum einen Deutschlerner betreute, wobei sie aufzeigte, daß die Lehrperson in der Kommunikationsform des elektronischen Austausches mitsamt ihren emotionalen Implikationen durchaus mit der Gefahr von persönlichen Animositäten oder Mißverständnissen konfrontiert wurde und emotionale Höhepunkte wie auch Frustration erfuhr. Lehrende müssen sich jedoch auch in einer solchen Situation in die von ihnen betreuten Lernenden einfühlen und auf digitaler Ebene auf deren emotionale Situation reagieren können. Die Referentin arbeitete die spezifische Lehr-Lernsituation des elektronischen Praktikums anschaulich heraus und zeigte, wie es genutzt werden kann, um die Studierenden für den Umgang mit den eigenen Emotionen und für ihre emotionale Handlungskompetenz in bezug auf die von ihnen später betreuten Lernenden zu sensibilisieren. Sie unternahm somit den Versuch, eine in der Lehrerausbildung bisweilen noch bestehende Lücke ansatzweise zu füllen.



Bernd Rüschoff („Task-based learning: Internetprojekte und Sprachenlernen im Kontext schulpraktischer Studien“) zeigte anhand konkreter Beispiele, wie die Essener Anglistik mit der Lernkonzeption des task-based learning umgeht, das im Rahmen fremdsprachlicher Lernprozesse immer mehr an Bedeutung gewinnt, und wie sie diese umsetzt. Dieser didaktische Ansatz ermöglicht es nach gegenwärtiger Forschungslage, den Lernenden neben der Vermittlung sprachlicher Fertigkeiten wichtige Grundlagen für eine lebenslang wirkende, nachhaltige Sprachlernkompetenz zu eröffnen. Der Referent wies darauf hin, daß eine Berücksichtigung dieses Ansatzes bereits in der ersten Phase der Lehrerausbildung notwendig ist, wo die Studierenden mit dem Potential dieser Lernarragements – auch in Verbindung mit den neuen Medien – vertraut gemacht werden sollten.



Olaf Meurer („Schüler entwickeln selbständig eine funktionale Wiederholungsgrammatik“) berichtete in seinem Vortrag über ein eigenes Projekt, in dem das Medium power point im Sinne der Sicherung und Übertragbarkeit der in einer gegebenen Klasse erarbeiteten Produktionen auf andere Schulklassen verwendet wird. Dabei wird durch die produktorientierte Arbeit mit dem Computer Motivationsförderung erzielt. Im dem besprochenen Projekt erarbeiteten Schüler selbständig verschiedene, inhaltlich zusammenhängende Grammatikerscheinungen. Dadurch gelang es, sie für die Funktion von Grammatik zu sensibilisieren und ihnen den Nutzen von Grammatik ersichtlich werden zu lassen. Auf emotionaler Seite wurde den Schülern verdeutlicht, daß sie es mit einer Herausforderung zu tun haben, die mit Stolz und Freude über eine gelungene Bearbeitung eines gegebenen Grammatikphänomens, mit besserer Anwendbarkeit und mit ständiger Wiederverwendbarkeit belohnt wurde.



Steffen Skowronek („Emotionen als Auslöser und Katalysator von interkulturellen Lernprozessen im Rahmen eines transatlantischen Sprachkursprojekts“) referierte über das im Sommersemester 2002 vom German Department der University of Berkeley und dem Potsdamer Sprachenzentrum gemeinsam durchgeführte Pilotphase eines interkulturellen Kursprojekts, in dem Deutschlernende aus Kalifornien mit Potsdamer Englischlernenden intensiv zusammenarbeiteten. Parallel zur Vermittlung von Sprachkenntnissen und –fertigkeiten sollte in dem Projekt interkulturelles Lernen stattfinden. Dieses wurde in einer detaillierten Projektevaluation überprüft. Das interkulturelle Lernprojekt soll im Wintersemester 2003/2004 fortgesetzt und die dort erhaltenen Schußfolgerungen gegebenenfalls in Folgeprojekten umgesetzt werden. Bei der Projektplanung fanden besonders die unterschiedlichen institutionellen und persönlichen Voraussetzungen der Studierenden Berücksichtigung. Dabei erwies sich die Nutzung von informational communication technologies – einschließlich der Lernplattform WEB-CT - als besonders zwingend. Das Projekt untergliederte sich in drei Phasen: in der Kennenlern-Phase bereiteten sich die Studierenden im Rahmen interkultureller Aufgabenstellungen auf die Zusammenarbeit mit ihren Projektpartnern vor. Dabei traten deutliche Unterschiede hinsichtlich der Vorstellungen über Studium und Karriere zutage. In der zweiten Phase wurden mittels Fragebögen Assoziationen, Einstellungen und emotionale Reaktionen zu bestimmten Themen und Situationen erfaßt, verglichen und anschließend diskutiert. In Phase drei analysierten die Studierenden in Kleingruppen Zeitschriftenwerbungen der Zielkultur oder schreiben Essays zu interkulturellen Problemstellungen. Dabei wurde die jeweilige hypothetisierte Sicht der Fremdkultur mit der tatsächlicher Sicht verglichen, wodurch Stereotype identifiziert und Antworten darüber neu überdacht werden konnte. Bei der Erstellung der Abschlußarbeit waren die Gruppen besonders auf das Feedback ihrer L2-Partner angewiesen. Der Referent bezog sich auf drei konkrete Beispiele aus der Praxis: Studiengebühren, Betrug bei Prüfungen und unterschiedliche Auffassungen über die Wirkung von Werbeaussagen in der Zielkultur, die jeweils einer der drei Projektphasen entnommen worden sind. Die Ergebnisse des Projekts belegen das große Potential affektiver Wahrnehmungen und Reaktionen. Dabei zeigte sich, daß in solchen Lernprozessen, die durch Emotionen ausgelöst oder begleitet werden, kulturell bedingte Unterschiede und Gemeinsamkeiten stärker wahrgenommen werden, daß zunehmend selbständig hinterfragt und zielstrebiger interpretiert wird, als dies in emotionsarmen Lernprozessen der Fall ist.



Mirco Mankel („Kognitive Lernstile im Umgang mit den Neuen Medien – Zur Veränderung traditioneller Lerngewohnheiten“) referierte zunächst über die nahezu unüberschaubare Vielfalt unterschiedlicher Konzeptualisierungen des Begriffs Lernstil. Den Grund hierfür identifizierte er in den stark divergierenden Definitionen dieses Konzepts in Abgrenzung zu anderen, häufig mehr oder weniger synonym gebrauchten Begriffen wie Lernstategien, kognitiver Stil oder kognitive Fähigkeiten. Das im Rahmen des BMBF-Projektes „Linguistik virtuell“ situierte Dissertationsvorhaben versucht – auf dem Hintergrund der dargestellten Situation –, individuelle Lernstile im Wirkungsfeld neuer Medien herauszuarbeiten. Als interessant stellte der Referent die Untersuchung des Umgangs mit online-Lernmaterialien, die notwendigen Maßnahmen für die persönliche Lernorganisation und die sich daraus ergebenden didaktischen Implikationen aus dem Grunde vor, weil sich aus ihnen – zusätzlich zu lernpsychologischen Erkenntnissen hinsichtlich der Lernmotivation und der Akzeptanz virtueller Studienangebote – auch Hinweise auf kognitive Verarbeitungsstrukturen ergeben können. Als zentrale Fragestellungen, die er in seiner Arbeit zu beantworten versuchen wird, ergaben sich dabei in diesem Zusammenhang beispielsweise die folgenden: Inwieweit beeinflußt der gewohnte Umgang mit traditionellen Medien die Nutzung eines multimedialen, Internet-basierten Lernangebotes? Gibt es Hinweise auf Lernerpräferenzen, die für das online-Lernen charakteristisch sein könnten? Welchen Einfluß hat das Lernen am Computer auf bisherige Lerngewohnheiten? Über diese Fragen hinaus soll in dieser Arbeit versucht werden, Überlegungen anzustellen hinsichtlich der didaktisch sinnvollen und lernertypgerechten Einbindung der neuen Medien in die Unterrichtspraxis.
Zum Abschluß dieser Ausführungen noch ein Hinweis auf den gewählten Untertitel dieses Tagungsberichtes: „Ein Aufbruch zu neuen Ufern?“. Wie bereits deutlich geworden ist, soll die Zehnte Göttinger Fachtagung die letzte ihrer Art gewesen sein, da die beiden Organisatoren Wolfgang Börner und Klaus Vogel in Zukunft aus Pensionierungsgründen nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Die Ankündigung der Beendigung der Göttinger Fachtagungen ist in der Fachwelt bisher mit großem Bedauern aufgenommen worden. Klar ist, daß eine neue Leitung des Göttinger Sprachlehrzentrums, die stadtfremd wäre und die Göttinger Verhältnisse nicht kennen würde, die Aufgabe einer Fortsetzung dieser Tagungen unmöglich realisieren könnte. Eine neue Leitung, die jedoch über Göttingen, seine Infrastruktur und die Struktur des Sprachlehrzentrums gut Bescheid weiß, die somit auch hinsichtlich möglicher Geldgeber leichter und erfolgreicher aktiv werden kann, wird die Aufgabe, die Göttinger Fachtagungen in dieser oder ähnlicher Form fortzusetzen, unproblematisch in Angriff nehmen und erfüllen können. Gleiches gilt in Bezug auf darauf, daß die neue Leitung einer Person zugeschrieben wird, die aus dem Bereich der Fremdsprachenvermittlung kommt und sich auf diesem Feld wissenschaftlich und durch praktische Lehrerfahrung qualifiziert hat. Diese Forderung erscheint nach allen Gesetzen der Logik als eine conditio sine qua non.
Ob die Göttinger Fachtagungen in Zukunft fortgesetzt werden, hängt somit von der Entscheidung der Universität hinsichtlich der Neubesetzung von Klaus Vogels Stelle ab. Wird hier die richtige Entscheidung getroffen, kann man hinsichtlich des Weiterbestehens der Göttinger Fachtagungen optimistisch sein. Wird dagegen eine falsche Entscheidung getroffen, so war die Zehnte Göttinger Fachtagung in der Tat die letzte. Hoffen wir somit im Interesse der Fachwelt, der bestehenden Sprachenzentren und ihrer Vertreter wie auch im Sinne des AKS darauf, daß von Seiten der Universitätsleitung die einzig richtige Entscheidung getroffen wird.